Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe
sie. „Wir sind nicht zuständig.“ Er setzte die Brille wieder auf und schaute Susanne an. „Ich hoffe, Sie haben das jetzt endlich begriffen: Wir sind nicht zuständig.“
Das war unmißverständlich: Du bist draußen. Keine weiteren Ermittlungen mehr. Das machte Susanne wütend, sehr wütend. Militärische Geheimhaltung. So etwas hatte sie nie gemocht. In einer wirklichen Demokratie durfte es das nicht geben. Aber Susannes Wut rührte vor allem daher, daß ihr Wissensdurst ungestillt blieb, sie jetzt in ihr Büro zurückgehen und das Ganze einfach vergessen mußte. Mallmännchen hätte das gekonnt, sie nicht. Zumal sie durch Jonas von den schrecklichen Ereignissen in der Eifel wußte.
Sie wollte dieses Thema gerade ansprechen, als Kettler, der offenbar erkannte, was in ihr vorging, in aufgesetzt väterlich klingendem Tonfall sagte: „Es ist nicht immer gut, alles zu wissen. Manche Informationen müssen auf einen kleinen Personenkreis beschränkt bleiben. Seien Sie froh, daß Sie mit der Sache nichts mehr zu tun haben. Ich kann ihre Neugierde verstehen, ich bin schließlich selbst Kriminalist, aber glauben Sie mir: Es ist besser für Sie, wenn Sie die Sache vergessen, besser für Ihre Nachtruhe.“
Wie einfühlsam, Herr Kollege! Sie spürte deutlich die berechnende Kälte hinter Kettlers Worten. Da wurde irgendein geheimes Ding durchgezogen, von dem niemand etwas erfahren sollte, dessen war sie sich sicher, etwas, das die Öffentlichkeit niemals gutheißen würde, falls es bekannt wurde. Militärische Geheimnisse waren meistens von dieser Art. Und sie wollten nicht, daß Susanne ihre Spürnase da hineinsteckte, ihnen in die Quere kam. Sie warf Antweiler einen hilfesuchenden Blick zu, hoffte, daß von ihm vielleicht ein kleiner Wink kam: Warten Sie, bis der Kerl weg ist. Aber Antweiler erwiderte ihren Blick kühl. „Keine Eigenmächtigkeiten, Wendland! Das wär‘s. Sie können gehen.“
Da wußte Susanne, daß er ihr diesmal nicht den Rücken freihalten würde. Wenn sie trotzdem weitermachte, drohte ihr tatsächlich ein Disziplinarverfahren. Vermutlich waren diese Spezialisten vom BKA und vor allem wohl die GENOTEC-Leute so einflußreich, daß Antweiler sich nicht mit ihnen anlegen mochte. Auch ihm ging es letztlich um die eigene Karriere. „Eine Frage habe ich noch“, sagte Susanne. Antweiler schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. „Nein!“ rief er wütend.
Kettler machte eine beschwichtigende Geste. „Okay“, sagte er. „Fragen Sie.“
„Michael Conrads Autounfall. Das BKA hat uns nie mitgeteilt, was bei der Untersuchung des Unfallwagens eigentlich herausgekommen ist.“
Kettler zog die Augenbrauen hoch. „Oh? Tatsächlich? Hat man es damals versäumt, Sie darüber zu informieren? Der Unfallwagen ist nie in Wiesbaden angekommen. Jedenfalls nicht in einem Zustand, in dem noch eine Untersuchung möglich gewesen wäre.“
Antweiler machte ein erstauntes Gesicht, und auch Susanne glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. „Ja. Wie sich später herausstellte, hatte der Fahrer des LKW, mit dem der Wagen nach Wiesbaden überführt wurde, Alkoholprobleme. Er hat einen Unfall gebaut. Mit satten zwei Promille im Blut. Dabei brannte der LKW mitsamt Conrads Unfallwagen auf der Ladefläche völlig aus. Was danach noch übrig war, taugte nicht mehr für eine Beweisaufnahme. Wir werden also nie erfahren, ob an Conrads Wagen etwas manipuliert wurde, wie Sie seinerzeit vermuteten, Frau Kollegin.“
Antweiler nahm die Brille ab und starrte Kettler mit zusammengekniffenen Augen an, offenbar äußerst irritiert, sagte aber nichts. „Ich will die Qualität Ihrer damaligen Ermittlungen keineswegs anzweifeln, Frau Kollegin“, fuhr Kettler ungerührt fort, „aber beim BKA sind wir aufgrund der Indizienlage zu der abschließenden Einschätzung gelangt, daß keine Fremdeinwirkung vorlag. Michael Conrad befand sich nach dem, wie wir ja wissen, überaus tragisch verlaufenen Drogenexperiment in einer sehr labilen nervlichen Verfassung, und er ist eindeutig mit stark überhöhter Geschwindigkeit gefahren.“
Susannes Gedanken wirbelten wild durcheinander. „Danke ... für die Auskunft“, murmelte sie, drehte sich rasch um und verließ Antweilers Büro. Nachdem sie ein Stück über den Flur gegangen war, blieb sie an einem offenen Fenster stehen und schaute hinaus. Sie zündete sich mit nervösen Fingern eine Zigarette an und atmete den Rauch tief ein.
Militärische Geheimnisse ... Militärs und einflußreiche
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