Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe
vollgeparkten Innenhof, sondern in einer Seitenstraße. Als sie die Fahrertür hinter sich zugeschlagen hatte, atmete sie einen Moment erleichtert auf. An ihrem roten Käfer, den das handwerkliche Geschick eines befreundeten Automechanikers bislang vor der Schrottpresse bewahrt hatte, hielt Susanne mit großer Anhänglichkeit fest. Sie mußte selbst zugeben, daß dies für einen nüchternen und rationalen Menschen, für den sie sich ansonsten hielt, eine ziemlich sentimentale Anwandlung war — aber in der runden Käfer-Karosserie, deren Dachhimmel im Laufe der Jahre vom Nikotin gelblich geworden war, fühlte sie sich ein wenig wie in einer behaglichen Höhle. Es war immer unaufgeräumt in ihrem Käfer, aller möglicher Kram lag auf den Sitzen herum, der Aschenbecher quoll über, und der unvergleichliche Geruch unzähliger Kilometer und Zigaretten strömte aus jeder Ritze. Leider würde sie sich jetzt, wo die Steuern für Autos ohne Katalysator ins Unermeßliche stiegen, wohl doch bald von ihm trennen müssen.
Sie drehte den Zündschlüssel, ließ den alten Boxermotor im Heck lospoltern. Während sie durch die Innenstadt Richtung Appellhofplatz fuhr, merkte sie beim Blick in den Rückspiegel, daß man sie verfolgte. Die Hoffnung, unbemerkt das Präsidium verlassen zu können, die doch ein klein wenig in ihr gekeimt hatte, war damit zunichte gemacht. Ein weißer Opel Vectra mit Wiesbadener Kennzeichen hing ständig so dicht hinter ihr, daß es kaum möglich war, ihn zu übersehen. Offenbar sollte sie wissen, daß man sie nicht aus den Augen ließ, jeden ihrer Schritte überwachte.
Plötzlich fiel ihr ein, daß sie ihr Handy auf dem Schreibtisch hatte liegenlassen. In manchen Situationen konnte es ziemlich unangenehm sein, nach einer öffentlichen Telefonzelle suchen zu müssen. Wenigstens hatte sie eine Telefonkarte dabei. Aber es war ausgeschlossen, daß sie mit diesen beiden Herren vom BKA im Schlepptau noch einmal zum Präsidium zurückfuhr, bloß um ihr Handy zu holen. Eine Weile überlegte sie fieberhaft, wie sie ihre beiden Kletten abschütteln konnte. Dann hatte sie plötzlich eine Idee.
Sie fuhr in die Gereonsgasse. Dort befand sich der Vordereingang des Mayflower , eines großen, nicht besonders guten chinesischen Restaurants, in dem vor ein paar Monaten unter Susannes Mitwirkung eine Razzia stattgefunden hatte. Die Hintertür des Mayflower lag an der Cäcilienstraße, keine zehn Meter von der Rolltreppe einer U-Bahn-Haltestelle entfernt.
Susanne quetschte ihren Käfer in etwas, was bei hartgesottenen Kölner Autofahrern durchaus als Parklücke durchgehen konnte - halb auf dem Gehsteig, halb im Parkverbot -, und ging, sich zu ruhigen, gelassen wirkenden Bewegungen zwingend, auf das Mayflower zu. Der weiße Opel hielt wenige Meter entfernt in der zweiten Reihe, so nah, daß Susanne die Gesichter der beiden Insassen erkennen konnte. Sie erwiderten ihren Blick seelenruhig, ohne eine Miene zu verziehen.
Susanne betrat das Restaurant, und als sie von außen nicht mehr zu sehen war, rannte sie so rasch in Richtung Toilette, als hätte sie eine Salmonellenvergiftung. Die Hintertür lag gleich neben den Toiletten, daran erinnerte sie sich genau. Sie lief über den engen Flur zwischen Küche und Toiletten, erreichte die Tür und rüttelte daran. Abgeschlossen. Sie verdrehte die Augen.
Sie wußte, daß ihr nicht viel Zeit blieb. Jeden Moment konnten ihre beiden Schatten das Lokal betreten, mit der Absicht, es sich ein paar Tische von Susanne entfernt bequem zu machen und ihr beim Essen Gesellschaft zu leisten.
Susanne holte tief Luft, stürmte in die Küche und zückte ihren Dienstausweis. „Schnell!“ rief sie. „Ich verfolge einen Verbrecher! Er ist durchs Klofenster entkommen!“ In der Küche arbeitete dieselbe chinesische Großfamilie wie bei der Razzia, als Susanne schon einmal auf ähnliche Weise dort hereingestürmt war. Sie machten erschrockene Gesichter und begannen wild auf chinesisch durcheinanderzureden.
Dann trabte der älteste und dickste Chinese auf Susanne zu und rief: „Komm schnell!“
Er lief an ihr vorbei auf den Flur. „Da! Hinterausgang!“ Er deutete lächelnd auf die Hintertür.
„Ich weiß!“ stöhnte Susanne. „Ist abgeschlossen!“
„Oh, sorry“, sagte der Chinese und stampfte zu einem Büro, das schräg gegenüber der Küche lag. Susanne beobachtete nervös die Vordertür. Wenn die beiden jetzt hereinkamen, blieb ihr nichts anderes übrig, als sich im Restaurant einen
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