Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe
Charakter des Hauses passenden Figurenbrunnen und unsägliche Barockstatuen aus Gips. Im Carport stand ein schwerer, silberner Mercedes, das neueste Modell.
Susanne überlegte kurz, ob sie erst noch eine Zigarette rauchen sollte, doch dann entschied sie, daß ihr dafür keine Zeit blieb. Wenn die beiden BKAler Kettler ihr Verschwinden gemeldet hatten, würde der vermutlich rasch zwei und zwei zusammenzählen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er mit seinen Leuten hier auftauchte, und darum zählte jede Minute. Wenn sie schon vom Dienst suspendiert wurde oder was auch immer, wollte sie vorher wenigstens noch so viel wie möglich von Schlei erfahren.
Rasch ging sie zu dem schmiedeeisernen, von Rosen umrankten Tor, hinter dem ein gepflegter, grauweißer Kiesweg zu einer Tür aus dunklem, schweren Holz führte. Als Susanne auf den Klingelknopf drükken wollte, tauchten hinter dem Tor plötzlich zwei Dobermänner auf und knurrten äußerst unfreundlich. Susanne zögerte, ihr Finger schwebte einen Augenblick unentschlossen über der Klingel. Hunde mochte sie eigentlich nicht so sehr, besonders solche Hunde. Katzen waren ihr als Haustiere viel sympathischer. Dann drückte sie den Klingelknopf. Ein melodischer Gong ertönte drinnen im Haus.
Niemand öffnete. Die Hunde kläfften, und Susanne klingelte ein zweites Mal. Ob Schlei zum Arzt gefahren war? Vielleicht lag er ja auch im Bett oder wollte sie ganz einfach nicht sehen. Aus seiner Akte wußte sie, daß er verwitwet war, so daß er möglicherweise allein in diesem großen Haus lebte.
Dann glaubte sie, hinter den dicken Glassteinen neben der Haustür jemanden stehen zu sehen. Fehlte ihm der Mut, sie hereinzulassen? Sie klingelte wieder. „Professor Schlei?“ rief sie. Keine Reaktion. Aber, kein Zweifel, hinter den Glassteinen war schemenhaft eine Gestalt erkennbar. Die Hunde hatten aufgehört zu kläffen und starrten Susanne nur noch wachsam an. Verdammt, dachte sie, was mache ich denn jetzt? Soll ich hier Wurzeln schlagen oder unverrichteter Dinge wieder abziehen? Sie beschloß auf die andere Straßenseite hinüberzugehen, eine Zigarette zu rauchen und Schleis Haus von dort demonstrativ zu beobachten.
Gerade, als sie sich abwenden wollte, wurde die Haustür aufgerissen, und Schlei erschien, blaß, nervös. Er eilte zum Tor. „Siegfried, Hector! Ruhig!“ rief er. „Keine Angst, die tun Ihnen nichts.“ Er öffnete das Tor, und die beiden Hunde machten Susanne tatsächlich Platz, aber um keinen Preis hätte sie sie zur Begrüßung streicheln mögen. Die tun nichts! Das sagten Hundebesitzer immer. Respektvollen Abstand zu den beiden Dobermännern haltend, ging Susanne mit Schlei ins Haus. Sie war erleichtert, daß die Hunde draußen blieben, als Schlei die Haustür zuschob.
„Ich hoffe, Ihnen ist niemand gefolgt?“ fragte er besorgt. Susanne schüttelte den Kopf. „Ich habe Kettlers Leute in der Innenstadt abgehängt und dann ein Taxi genommen.“ „Zum Glück wird mein Haus bislang nicht überwacht“, sagte Schlei. „Roloff hält mich für zu feige, um mich an die Polizei oder die Medien zu wenden. Aber er würde mich gerne loswerden. Besonders, wenn Gablenz...“
„Sie sind über die neueste Entwicklung in der Eifel informiert?“
Er schnaufte. „Allerdings. Es ist furchtbar! Ehrlich gesagt, bin ich froh, daß Sie gekommen sind. Erleichtert. Erst hatte ich Angst, Sie hereinzulassen, als ich Sie vor dem Tor stehen sah. Andererseits habe ich die ganze Zeit, seit ich vom Institut nach Hause gefahren bin, mit dem Gedanken gespielt, Sie anzurufen ... das Wissen, das ich mit mir herumtrage, ist gefährlich, für mich und für Sie. Aber ich muß endlich reden, ich ersticke sonst!“
„Gut“, sagte Susanne, „dann sollten wir es rasch hinter uns bringen.“
„Kommen Sie“, sagte er. „Wir gehen hinüber in meine Jagdhütte, dort sind wir ungestört.“
Vorbei an einer großen, hochmodern eingerichteten Küche, in der eine grauhaarige Hausangestellte hantierte, gelangten sie in ein geräumiges Wohnzimmer, wo die gleiche unverdauliche Mischung aus moderner, kühler Eleganz und schwülstigem Kitsch herrschte wie draußen: Sitzmöbel aus glattem, schwarzen Leder, gläserne Tischplatten, Lampen, die aus einem High-Tech-Operationssaal zu stammen schienen, andererseits in den schwarzen Regalen süßliche Puttenfiguren und Vasen, und an den Wänden alte Speere, Jagdgewehre und barocke Stilleben. Schlei führte sie durch eine breite Glasschiebetür hinaus
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