Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe
auf eine Veranda, wo sich Susanne sofort ängstlich nach den Dobermännern umschaute, die auch prompt herbeiliefen, um sich von Schlei streicheln zu lassen, Susanne aber erfreulicherweise keine Beachtung schenkten. Die Veranda im stark verkitschten römischen Stil, mit Stuckbrüstung und armlosen Statuen, wirkte wie angeklebt, als hätte ein Schönheitschirurg aus Versehen eine falsche Nase modelliert.
Susanne blickte verwundert über einen gepflegten englischen Rasen hinweg zum anderen Ende des Gartens. Dort stand, umgeben von einigen Tannen, die wohl nordische Wälder symbolisieren sollten, tatsächlich eine kleine Jagdhütte aus dunkel imprägnierten Holzbalken, mit einem großen Hirschgeweih über der Tür.
„Gehn wir hinüber“, sagte Schlei. „Der ideale Ort für ein vertrauliches Gespräch.“
Die beiden Dobermänner waren vorausgelaufen und legten sich hechelnd in den Schatten unter dem weit vorstehenden Dach der Hütte, die eine Susanne völlig deplaziert erscheinende, unechte Trapperromantik ausstrahlte. Schlei schloß die Tür auf und bat Susanne hrrein. Drinnen war es warm, schwerer Holzgeruch lag in der Luft. Viele alte Schwarzweißfotos in ovalen Rahmen hingen an den Wänden. Schlei klappte beide Fenster auf, nahm hinter einem antik wirkenden, massiven Eichenholzschreibtisch Platz und bot ihr einen der beiden davor stehenden Korbsessel an. Er zeigte auf ein schweres, altes Telefon mit Wählscheibe. „Möchten Sie etwas trinken?“ fragte er. „Herta kann uns etwas herüberbringen.“
Susanne schaute nervös auf die Uhr. „Hören Sie“, sagte sie etwas schärfer als beabsichtigt, „wir haben nicht die Zeit für ein gemütliches Plauderstündchen. Ich fürchte, früher oder später wird Kettler hier aufkreuzen.“ Schleis Gesicht wurde um eine Nuance blasser. „Sie sagten doch, Sie hätten seine Leute abgeschüttelt?“ fragte er besorgt.
Susanne nickte. „Das habe ich auch, aber es dürfte ihm nicht allzu schwerfallen, den Grund dafür zu erraten. Sagen Sie mir also geradeheraus, was Sie wissen, damit ich rasch wieder verschwinden kann. Besser für uns beide, wenn ich weg bin, ehe Kettler hier nach dem Rechten schaut.“
Schlei wischte sich mit seinem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. Susanne sah, wie stark seine Hände zitterten. Ein kurzes, unbehagliches Schweigen entstand, das Susanne nutzte, um sich eine Zigarette anzuzünden, ohne Schlei um Erlaubnis zu fragen. Sie mußte jetzt einfach rauchen und ignorierte Schleis tadelnden Blick. Offenbar fürchtete er, sie könnte seine edle Jagdhütte in Brand setzen.
„Das Haus dort ist nach meinen eigenen Wünschen gebaut“, sagte Schlei und reichte ihr, da offenbar kein Aschenbecher vorhanden war, als Ersatz ein benutztes Glas, das auf dem Schreibtisch gestanden hatte. „Mit modernster Technik, einer computergesteuerten Klimaregulierung, sich elektrisch öffnenden und schließenden Fenstern. Mein rationaler, wissenschaftlicher Verstand wird durch eine solche Konstruktion tief befriedigt.“ Schlei seufzte. „Aber es wirkt auch kalt, nicht wahr? Es hat keine Seele.“
Mit seiner schlichten, rechteckigen Form, dem Flachdach, den glatten Fensterflächen erinnerte Schleis Bungalow tatsächlich an ein Instituts- oder Firmengebäude -ein nüchterner Zweckbau, nicht sehr einladend.
„Und wie jeder Mensch besitze ich nicht nur einen Verstand, sondern auch ein Gefühlsleben, das zu seinem Recht kommen will.“ Ein melancholischer Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. „Wirkliche Gefühlstiefe ist in unserer Kultur verpönt. Bei uns Verstandesmenschen äußern sich Gefühle zumeist als Sentimentalitäten. Wir klammern uns an Vergangenes und versuchen darin eine Geborgenheit zu finden, die die Produkte unseres Verstandes uns niemals geben können, so technisch perfekt sie auch sein mögen.“
Susanne mußte mit einem unbehaglichen Gefühl daran denken, wie sentimental sie selbst an ihrem alten VW festhielt. Meine Güte, warum erzählte er ihr das alles? Wütend sagte sie: „Nichts gegen Ihre persönlichen Probleme, aber was ich brauche, sind stichhaltige Informationen über Gablenz und seine Drogenexperimente, und über diesen Roloff. Und warum halten Sie Kettler für gefährlich? Ist er tatsächlich für Conrads Tod verantwortlich? Wenn Sie mir brauchbare Fakten liefern, kann ich meinen Chef vielleicht überzeugen, die Ermittlungen fortzusetzen!“
Jetzt wirkte auch Schlei verärgert. „Ich erzähle Ihnen diese Dinge nicht zum
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