Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe
Spaß“, erwiderte er, „sondern damit Sie begreifen, worum es geht. Hören Sie mir also zu, und unterbrechen Sie mich nicht unnötig! Dadurch verschwenden Sie Zeit!“
Susanne seufzte und klopfte über dem schmutzigen Glas, das der Professor ihr gegeben hatte, Zigarettenasche ab. Schlei fuhr fort: „Irgendwann erkannte ich, daß meine eigene psychische Verfassung - die des sich für ach so rational haltenden Wissenschaftlers, der mit seinen Gefühlen nicht zurechtkommt, sie oft als beunruhigend und störend empfindet - symptomatisch für den modernen Menschen ist. Es ist die Krankheit unserer Zivilisation. Eine Spaltung zwischen Verstand und Gefühl, die sich immer weiter vertieft. Unser Verstand arbeitet wunderbar, unsere Technologie funktioniert immer effizienter und perfekter, aber unsere Gefühle verkümmern. Daher fehlt es der technologischen Umwelt, die wir uns erschaffen, an Wärme, an Freundlichkeit. Darauf, daß unsere Emotionen immer mehr absterben, ist auch die drohende ökologische Katastrophe zurückzuführen. Unsere Emotionen sind es, die uns mit der Natur verbinden. Der Intellekt mit seinem Nützlichkeitsdenken kann den Wert eines Waldspaziergangs oder eines Sonnenuntergangs nicht erfassen.“
„Professor ...“ Susanne bemühte sich ihre Stimme ruhig und einigermaßen freundlich klingen zu lassen, um ihn nicht wieder zu verärgern. „Worauf wollen Sie hinaus?“
Er wischte sich erneut den Schweiß von der Stirn. „Die Zeit wird knapp, nicht wahr? Nun ... was wissen Sie über das Gehirn?“
„Vermutlich viel weniger als Sie“, entgegnete Susanne, „ich bin schließlich Polizistin, keine Neurologin.“ „Erst allmählich beginnen wir zu begreifen, wie ungeheuer komplex unser Gehirn eigentlich ist. Wir tragen buchstäblich ein ganzes Universum in unserem Kopf herum. Wissen Sie, die Astrophysiker erforschen das Universum dort draußen“ - dabei zeigte er durch das geöffnete Fenster hinauf in den dunstig blauen Himmel -, „und je mehr sie darüber herausfinden, desto verwirrter sind sie.“
Susanne zog entnervt an ihrer Zigarette. Er schien unfähig sich kurz zu fassen. Offenbar merkte er das auch selbst, denn als er fortfuhr, sprach er rasch, gehetzt, schaute dabei immer wieder ängstlich hinüber zum Haus. „Mit dem Gehirn ist es ebenso. Je mehr wir darüber herausfinden, desto verwirrender und geheimnisvoller erscheint es. Immerhin haben wir es bei diesem Organ mit einem Mikrokosmos aus ungefähr hundert Milliarden Nervenzellen zu tun.“
„Und die Droge, die Gablenz entwickelt hat, beeinflußt das Gehirn?“ fragte Susanne. Das war eigentlich logisch, aber vielleicht brachte sie ihn damit dazu, endlich auf den Punkt zu kommen.
„Megatonin, ja. Das heißt, eigentlich ist Megatonin keine Droge. Außerdem habe ich sie entwickelt, nicht Gablenz Oder jedenfalls bin ich gewissermaßen der geistige Vater des Megatonins...“
„Oh?“ Das war eine Überraschung für Susanne, „Ich dachte immer, Gablenz selbst hätte...“
Schlei schüttelte den Kopf. „Nein, nein“, sagte er mit Nachdruck. „Ich habe die Grundlagenforschung geleistet, die gesamte Vorarbeit. Gablenz kam erst viel später hinzu.“ Er machte ein bekümmertes Gesicht.
„Und Gablenz brachte Sie mit GENOTEC zusammen?“ „Zunächst nicht. Auf seine Art ist Gablenz wirklich ein Genie, wissen Sie? Ich war damals sein Doktorvater. Er hat die beste Doktorarbeit geschrieben, die ich je gesehen habe. Als er dann ein paar Jahre danach in mein kleines Institut in Aachen einsteigen wollte, war ich hocherfreut. Sehen Sie, ich bin mehr Theoretiker. Gablenz‘ Genie liegt stärker auf dem praktischen Gebiet.“ „Gut“, sagte Susanne mit einem Blick hinüber zum Haus. „Und GENOTEC?“
„Nun, wie ich schon sagte, ist Gablenz wesentlich pragmatischer als ich. Er hat unser Megatonin-Projekt eines Tages dem Konzern angeboten. Roloff war damals gerade neuer Deutschlandchef geworden und schien ein wissenschaftliches Prestigeprojekt zu suchen, mit dem er sich profilieren konnte. Anfangs erschien es mir wie die Erfüllung eines Traumes. GENOTEC bot uns viel Geld. Sehr viel Geld. Da ich kein sehr begabter Geschäftsmann bin, steckte mein Aachener Institut in den roten Zahlen. Und im supermodernen GENOTEC-Institut hier in Köln fanden wir exzellente Arbeitsbedingungen vor.“
Schlei seufzte. „Zunächst war Roloff nur an Gablenz interessiert und wollte mich auszahlen, aber Gablenz be-stand darauf, daß dieser hochdotierte Posten
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