Wendland & Adrian 03 - Nachtauge
schwach wurden? Mario hatte gesagt, er lebe ganz allein. Ein Workaholic. »Mario Eberhard hat uns heute aufgesucht.«
Für einen Augenblick verrutschten Feltens Gesichtszüge auf eine Weise, die Robert Redford vermutlich nicht unterlaufen wäre. »Der Junge war ... was wollte er denn?«
»Er macht sich Sorgen um Sie.«
»Ah, ich verstehe«, sagte Felten ärgerlich. »Die Briefe!«
Wütend wirkte er eindeutig weniger erotisch, fand Susanne. »Briefe dieser Art sollten Sie nicht auf die leichte Schulter nehmen. Es ist in solchen Fällen immer besser die Polizei einzuschalten.«
»Das ist doch wohl meine eigene Entscheidung! Ich bin überzeugt, dass es sich lediglich um ein paar Spinner handelt. Davon lasse ich mich nicht einschüchtern. Aber dass Mario ...«
»Ich glaube, der Junge hat es gut gemeint.«
»Natürlich«, sagte Felten in ruhigerem Ton. »Er macht sich Sorgen um mich. Trotzdem hätte er das nicht eigenmächtig tun dürfen. Ich werde ein ernstes Wort mit ihm reden!«
»Haben Sie die Briefe noch? Ich würde gern einen Blick darauf werfen.«
Felten zögerte. Die ganze Angelegenheit war ihm erkennbar lästig. Aber er kannte die Rechtslage wohl gut genug, um zu wissen, dass es kein Zurück mehr gab. Die Polizei war gezwungen der Sache nachzugehen. Er nickte, griff in seinen Schreibtisch und legte vier Briefe in geöffneten Kuverts vor Susanne hin.
Susanne nahm sie und ließ sie durch die Finger gleiten. Alle waren in Nürnberg abgestempelt, was nicht unbedingt auf Profis schließen ließ. »Welcher ist der, den Mario entdeckt hat?«
»Der dritte. Er kam in der vorletzten Woche.«
Der vierte Brief war am vergangenen Mittwoch abgestempelt. Susanne faltete ihn auf und las: Sie entkommen uns nicht, Arne Felten! Sie sind ein Vorkämpfer der Umweltvernichtung. Dafür werden Sie Ihre gerechte Strafe erhalten. Zittern Sie, Felten! Denken Sie nach über die Schuld, die Sie auf sich geladen haben. Der Tag der Abrechnung ist nah!
Auch hier stand »Organisation für eine saubere Erde« als Absender auf dem Kuvert. Das Dumme bei dieser Art Briefen war, dass man nie wusste, ob der Absender ein harmloser Verrückter war, der sich wichtig machen wollte, oder ein durchaus nicht harmloser Verrückter, einer, der in seinem Keller’ Bomben bastelte. Die Zuspitzung in der Wortwahl gegenüber dem dritten Brief war deutlich.
»Ich glaube, Mario hat Recht«, sagte Susanne langsam. »Ich bin ebenfalls der Ansicht, dass Sie diese Briefe nicht auf die leichte Schulter nehmen sollten. Wie gut ist es denn um Ihre persönliche Sicherheit bestellt?«
»Wir haben hier dreiunddreißig Mann Werkschutz, die nun leider ihres Leiters beraubt sind. Fünf dieser Leute – Krupka war der sechste – sind speziell für den Personenschutz ausgebildet, um die Sicherheit des Direktoriums und unserer Gäste zu gewährleisten. Ich denke also, dass ausreichend für meinen Schutz gesorgt ist. Auch die Einbruchsicherheit der Raffinerie ist gut gewährleistet.«
»Wer hat von diesen fünf das Sagen?«
»Nach Krupkas Tod hat das Hoppen übernommen, er ist der Erfahrenste von ihnen.«
»Gut.« Susanne überlegte. »Ich schicke Ihnen Kommissar Westen. Das ist einer unserer Sicherheitsfachleute im Präsidium. Er wird die Zusammenarbeit mit Hoppen koordinieren. Und er wird alle Personen, die Ihre Post bearbeiten, aufklären, worauf sie in Sachen Briefbomben zu achten haben. Wer ist das?«
Felten verzog das Gesicht. »Hören Sie, ich will das alles gar nicht! Ich will nicht, dass wegen der Briefe irgendeines armen Irren hier der ganze Betriebsablauf durcheinander gebracht wird. Wissen Sie, wie viel Arbeit wir haben?«
»Die Idee, dass zwischen den Briefen und den beiden Todesfällen ein Zusammenhang bestehen könnte, ist Ihnen wohl noch nicht gekommen?« Susanne begann selbst erst jetzt damit, dies ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Allerdings sprach dagegen, dass sie in den Briefen nicht angekündigt worden waren. Aber vielleicht folgte ja ein neuer Brief, in dem die Organisation sich dazu bekannte.
Der Gedanke an die mysteriöse Natur der beiden Todesfälle schien in Felten eine Veränderung zu bewirken. Seine Schultern sanken herab und ein müder, erschöpfter Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. Seine Robert-Redford-Magie schwand deutlich. Er schüttelte den Kopf, starrte an Susanne vorbei ins Leere und sagte leise: »Das halte ich für ... unwahrscheinlich.«
»Warum?«
Er starrte sie an, als habe er ihre Anwesenheit vorübergehend
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