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Wendland & Adrian 03 - Nachtauge

Wendland & Adrian 03 - Nachtauge

Titel: Wendland & Adrian 03 - Nachtauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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verweigerte die Mitarbeit. Oder irgendein Schamane hatte ... »Okay«, sagte Chris zur Bärin. »Einmal versuchen wir noch durchzubrechen. Wenn’s wieder nicht klappt, muss ich mit Mario daheim im Paradies ein Wörtchen reden!« Das Diesseits bezeichnete Chris immer als das Paradies. Das hielt sie für außerordentlich wichtig. Das Diesseits, die Welt der lebendigen Menschen, Tiere und Pflanzen, war der Bereich, in dem sie sich zu Hause fühlte. Nur dort konnte sie glücklich sein.
    Manche Menschen, die mit schamanischen Techniken experimentierten, neigten dazu, dem Jenseits, der Geisterwelt, zu verfallen, sie für das wahre Paradies zu halten, aber das war eine Illusion. Das Paradies war immer dort, wo der Körper sich befand. Erst wenn der Körper starb, wurde das Jenseits zum Diesseits. Und man erwachte dort mit einem neuen Körper, bereit für neue Abenteuer. Aber eben erst nach dem Tod. Wenn Leute diesen Schritt vorzeitig zu tun versuchten, entstand nicht selten ein heilloses Durcheinander, das im Diesseits in der Psychiatrie enden und drüben in der Geisterwelt große Verwirrung und viel Ärger verursachen konnte.
    Leider gab es mehr als genug Menschen, die das Diesseits gering achteten. Besonders wenn sie Drogen nahmen, was Chris strikt ablehnte. Wer Drogen nahm, lud die Dämonen ein, Schabernack mit ihm zu treiben. Schon die, mit denen man es beim noch recht harmlosen Kiffen zu tun bekommen konnte, waren ziemlich fiese Gesellen. Wer sich aber auf harte Drogen einließ, bekam es mit der richtig üblen Brut zu tun. Etwas Dümmeres konnten Menschen im Diesseits kaum anstellen. Leider kam da manchmal jede schamanische Heilkunst zu spät.
    Die Bärin nahm Anlauf.
    Buff! Dicker, schwarzer, undurchdringlicher Schaumstoff. Wieder kullerten sie und die Bärin übereinander. Chris rappelte sich auf und stemmte wütend die Hände in die Hüften. »Jetzt reicht’s! Rückzug zum Kristalltunnel!«, ordnete sie an. Die Bärin duckte sich folgsam, um Chris das Aufsitzen zu erleichtern. Doch dann hielt Chris noch einmal inne. »Moment, das hätte ich fast vergessen.« Sie richtete sich auf, streckte mutig die Brust heraus, wie es in der Geisterwelt von einer unerschrockenen Abenteuerschamanin erwartet wurde, und fragte mit lauter Stimme: »Gibt es hier irgendjemanden, der eine Botschaft für mich hat, die Mario Eberhard betrifft?«
    Chris wartete, dass irgendein Wesen zwischen den Bäumen hervortrat, doch der Dschungel antwortete mit völliger Stille. Selbst der Gesang der vielen Vögel verstummte. Auch kam es ihr vor, als ob das Licht weniger wurde, düsterer. Und dann erhoben sich die Vögel plötzlich aus den Urwaldbäumen, formten einen Schwärm. Sie flogen alle auf die schwarze Barriere zu – und verschwanden!
    Es war nicht so, dass die Barriere sich geteilt hätte, um sie durchzulassen. Eher schien es, als würde die Schwärze sie aufsaugen, sie regelrecht verschlucken.
    Als alle Vögel verschwunden waren, wirkte der Urwald verlassen und leer. Ohne das Leben im Geäst strahlten die Bäume etwas Bleiernes, Unwirtliches aus. »Brr!«, sagte Chris leise. »Kein gutes Zeichen, fürchte ich. Lass uns von hier verschwinden.« Auch die Bärin schien es plötzlich sehr eilig zu haben und mit jenem erstaunlichen Tempo, das Bären ihrer plumpen Gestalt zum Trotz an den Tag legen können – Geisterbären ganz besonders –, trug sie Chris zu ihrer heimeligen Wiese und dem Anfang (oder dem Ende, je nach diesseitiger oder jenseitiger Perspektive) des Kristalltunnels zurück.
    Chris kraulte ihr zum Dank kräftig das Fell, was die Bärin mit zufriedenem Gebrumm quittierte. Dann kehrte Chris durch den Tunnel in Marios Zimmer zurück, wo ihr Körper und der größte Teil ihres Bewusstseins die ganze Zeit über auf dem Stuhl gesessen hatten. Sie schaute auf die Uhr. Wie gewohnt war weit weniger Zeit vergangen, als es in der Geisterwelt den Anschein gehabt hatte: kaum fünf Minuten.
    Mario öffnete die Augen, hob den Kopf und schaute sie an. »Und?«, fragte er. »Hast du was herausgefunden? Ich selbst habe gar nichts gesehen oder gespürt. Es fing an ziemlich langweilig zu werden.«
    »Kann ich mir denken«, sagte Chris ärgerlich. »Du hast mich nicht hereingelassen. Warum nicht? Wie soll ich dir dann helfen?«
    Er schaute sie verwundert am »Was meinst du denn damit? Verstehe ich nicht! Natürlich will ich, dass du mir hilfst! Sonst hätten wir uns das Ganze doch sparen können! Ist doch nicht meine Schuld, wenn es nicht

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