Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman
meinen Sexfrust und zweitens die Meidner Fair & Event Design GmbH, meine diversen Telefone und den Computerbildschirm vor meiner Nase. Den Rest meiner Umgebung blendete ich so weit wie möglich aus. Sieht man von Thomas, meinen Freundinnen, raffinierten Nudelgerichten und französischem Rotwein mal ab, betrachtete ich fast alles als ein mehr oder weniger störendes Hindernis zwischen mir und meiner Arbeit. Und so kam es wohl, dass ich eine Ewigkeit wie in Schwarz-Weiß durch mein Leben schlurfte.
Mensch, was war ich bloß für ein Zombie!
Das wird mir allerdings jetzt erst klar. Jetzt, da meine Augen wieder auf Farbansicht umgeschaltet haben und sich mit einer Mischung aus wiederentdeckter Neugier und Wehmut in meinem Leben umschauen. Thomas im dunklen Business-Anzug, Martinas herbstfarbene Molligenmode, Neeles dunkelrot lackierte Fingernägel – tausend Mal gesehen, tausend Mal übersehen.
Bis jetzt eben. Jetzt berührt mich einfach alles. Sogar Thomas’ Sukkulenten. Sogar unser hässlicher rosa Couchtisch. Sogar Joe Meidners fettiger Pferdeschwanz. (Wobei ich ganz froh bin, dass ich den in absehbarer Zeit nicht mehr zu Gesicht bekomme.)
Staunend laufe ich durch meine Tage wie durch einen botanischen Garten. Überall gibt es was zu entdecken, überall leuchtet es gelb, blau, rot, grün. Auch meine Nase und meine Ohren haben sich nach jahrelangem Stand-by wieder eingeschaltet. Auf einmal merke ich, dass die Luft nach Natur duftet (jedenfalls im Englischen Garten). Dass Vögelein zwitschern. Dass der Wind zart meine Haut streichelt.
Genau, Sandra, bloß keine Scheu vor poetischen Anwandlungen. Das alles klingt nicht nur nach Kitschroman. Es fühlt sich auch an wie Kitschroman. So muss sich Dornröschen gefühlt haben, als sie damals wachgeküsst wurde.
Na ja, nicht ganz. Bei Dornröschen kam ein Märchenprinz zu Besuch. Bei mir klopft gerade das Schicksal an die Tür.
7
D as Schicksal hat es dann beim Anklopfen bewenden lassen und ist weitergezogen, anderswo Leute heimsuchen. Meine Operation verlief gut. Und vier Tage später teilt mir mein Arzt freudestrahlend mit, dass meine Lymphknoten völlig in Ordnung sind. Vor Erleichterung breche ich in Tränen aus.
Kein Wunder, diese vier Tage sind mir vorgekommen wie mindestens vier Ewigkeiten. Im Krankenhaus liegen und warten müssen gehört definitiv nicht zu meinen Spezialitäten. Der Blick auf die schneebedeckten Tannen vor dem Fenster meines Zimmers ließ düstere Friedhofsgedanken in mir aufsteigen.
Sogar die bewährte Ablenkung durch verstärkten Fernsehgenuss funktionierte plötzlich nicht mehr. Auf das Double-Feature von Die Hard verzichtete ich trotz Bruce Willis von vornherein, weil ich mich schon vor dem Titel gruselte. Und bei der Dallas -Wiederholung, für die ich mich tags darauf entschied, fand ich die ollen Intrigenkamellen von J. R. auf einmal so fies, dass ich nach zehn Minuten zitternd auf Kinderkanal umschaltete und anderthalb Stunden Zeichentrickfilme gucken musste, um mich wieder halbwegs zu beruhigen.
»Das ist normal, das sind die Nerven«, tröstete Renate mich, als sie mich am nächsten Abend besuchte, zusammen mit einer Pizza und einer Flasche Prosecco.
»Es geht nichts über eine kleine Abwechslung zu Käsebroten mit Hagebuttentee«, prostete sie mir zu.
Habe ich schon erwähnt, wie großartig es ist, in schweren Zeiten gute Freundinnen zu haben? Nichts gegen Väter und Ehegatten, aber die sind ja bei Krankenhausbesuchen meistens von vornherein so eingeschüchtert, dass sie es noch nicht mal auf die Reihe kriegen, die mitgebrachten Blumen aus dem Papier zu wickeln. Geschweige denn, aufmunternde Patientengespräche zu führen.
Thomas ist in der Hinsicht erwartungsgemäß ein hoffnungsloser Fall. Selbst wenn er nach Kräften versuchte, mich mit lustigen Statistiken ein wenig aufzuheitern. Normalerweise hätte ich auch bestimmt darüber geschmunzelt, dass die Beinhaare von Frauen pro Monat um 0,635 Zentimeter wachsen. Und dass Tausendfüßler nie mehr als 680 Füße haben. Alles sehr interessant, wirklich.
Aber rückblickend betrachtet waren Renate, Neele und Martina mir bis zur endgültigen Entwarnung dann doch eine wesentlich solidere seelische Stütze.
Neele in ihrer handfesten Art hätte mir zwar fast den Nervenzusammenbruch beschert, dem ich bei Dallas noch knapp entgangen war. Sie hielt es nämlich für eine großartige Idee, mir Lance Armstrongs Buch Tour des Lebens. Wie ich den Krebs besiegte und die Tour de France gewann
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