Weniger arbeiten, mehr leben
40,6 Wochenstunden im Jahr 1978 (im damaligen westdeutschen Bundesgebiet) auf mittlerweile 37,1 Wochenstunden im Jahr 1997. Paradiesische Zustände, so scheint es. Etwas anders sieht die Sache allerdings bei näherer Betrachtung aus, nämlich bei der Gruppe der leitenden Angestellten. Laut einer von den Berufsverbänden VAF (Verband Angestellter Führungskräfte) und VdF (Verband der Führungskräfte) im Jahr 2001 vorgestellten Arbeitszeiterhebung liegt die durchschnittliche Arbeitszeit der deutschen Fach- und Führungskräfte mit durchschnittlich 52,5 Wochenstunden »auf gewohnt hohem Niveau«. Wohlgemerkt: Das ist der Durchschnitt. Jedem Manager, Ingenieur oder Rechtsanwalt, der tatsächlich nur neun Stunden am Tag arbeitet und sich das Wochenende freihält, steht ein Kollege gegenüber, der zwölf Stunden täglich schuftet. In vielen Fällen hat die Erhebung dementsprechend auch Wochenarbeitszeiten von mehr als 60 Stunden ausgemacht.
»Selbst schuld«, mag jetzt mancher denken, »das sind doch Leute, die wollen es nicht anders.« Lassen wir dazu noch einmal die Autoren der eben zitierten Erhebung zu Wort kommen: »Zugleich artikulieren die Führungskräfte deutlich ihre Wünsche nach einem Ausgleich für diese dauerhaft hohe Arbeitszeitbelastung.« Worin könnte der bestehen? Mehr Geld? Schnellere Dienstwagen? Weit gefehlt: »Überwiegend wird für eine kürzere Lebensarbeitszeit plädiert. Daneben finden zusätzliche freie Ausgleichstage großes Interesse.«
Das oft gebrauchte und in den Medien widergespiegelte Bild vom ehrgeizigen Manager, der für die Karriere auf alles verzichtet, ist eben nur ein zynisches Klischee. Zwar ist die Leistungsbereitschaft bei den meisten jungen, gut ausgebildeten Menschen hoch, doch bezieht sie sich nicht länger alleine auf den Job, sondern eben auch auf die sozialen und privaten Bereiche des Lebens. Erfolg ist nicht länger eine Frage von Kontostand und beruflicher Anerkennung, sondern auch von privatem Erfolg, von Freundschaften und Familienglück.
|64| Ganz gleich, ob Sie sich in Zukunft also verstärkt Ihrer Familie widmen, neue Freundschaften eingehen oder die Beziehung zu Ihren Nachbarn pflegen möchten: Sie sind nicht alleine.
Eine Arbeitsatmosphäre, in der grenzenloser Einsatz zum guten Ton gehörte und
stabile soziale Beziehungen allenfalls schmückendes Beiwerk waren: Dem ehemaligen
Investmentbanker Markus Q. wurde schnell klar, dass es eigentlich keine Entschuldigung
gab, sich nicht bedingungslos der eigenen Firma zu verschreiben. Das
hatte natürlich seinen Preis. Kollegen mit rundum intakten Familien und Beziehungen
gab es nicht. Praktisch jeder, den er kannte, schleppte irgendein persönliches
Problem mit sich herum – eine gescheiterte Ehe, Kinder mit Schulproblemen, zerbrochene
Freundschaften. Erst nach seiner Kündigung wurde ihm klar, wie sträflich
er selbst diesen Bereich seines Lebens bisher vernachlässigt hatte.
Sein Downshifting-Tipp:
Sich nicht von den falschen Vorbildern im
Berufsleben irreleiten lassen. Im Büro wird kaum jemand offen zugeben, dass er
wegen des Jobs vereinsamt.
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Zeit, sich auf eine neue Zielgruppe einzustellen
Kommen wir nun zu Ihren Mitfahrern, zu den Menschen, die sich bei Ihnen im Wagen befinden, und die Sie möglicherweise schon seit längerer Zeit nicht mehr danach gefragt haben, ob sie mit Automodell, Geschwindigkeit und Wegstrecke überhaupt einverstanden sind.
Test: Wie groß ist Ihr Defizit hinsichtlich sozialer und familiärer Bindungen? Um das einmal genauer zu quantifizieren, müssen Sie sich nicht auf die Couch legen. Ein einfacher Test wird Ihnen eine klare Antwort erteilen. Überschlagen Sie einmal die nachfolgend aufgeführten »Zeit-Posten:
Wie viele Stunden proWoche verbringen Sie . . .
Stunden
. . . im Stau?
|65| . . . in Meetings?
. . . im Gespräch mit Ihrem Chef, mit Kollegen, eventuellen
Kunden?
Summe:
. . . und im Vergleich dazu im Gespräch mit Ihrem Lebenspartner,
den Kindern, Freunden und Bekannten?
Auflösung: Möglicherweise fällt das Ergebnis mehr oder weniger niederschmetternd aus. Im schlimmsten Falle kommen bei den ersten drei Punkten Stunden zusammen, während Sie beim letzten Zeit-Posten Schwierigkeiten haben, die Minuten zusammenzuzählen. Natürlich kann bei diesem Test kein voll Berufstätiger eine hundertprozentig ausgeglichene Bilanz vorlegen; genauso wenig, wie es eine allgemein gültige Regel gibt, die besagt »Widmen Sie sich jeden Tag mindestens X Minuten
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