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Wenn alle anderen schlafen

Wenn alle anderen schlafen

Titel: Wenn alle anderen schlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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lehren.«
    »Was?«
    »Sacramento warnte mich
permanent vor dem Jetverkehr, und mein Kopf schwang die ganze Zeit hin und her
wie bei einer von diesen Kopfwackelfiguren, die Leute im Auto haben, und
trotzdem konnte ich keine von diesen Riesenkisten entdecken. Ich war mir
sicher, daß ich einen schrecklichen Zusammenstoß verursachen würde und daß
Hunderte von Menschen sterben müßten, nur weil ich mir zuviel zugetraut hatte.
Auf dem Rückflug habe ich den Riesenumweg über Maxwell VOR gemacht und mich
über die Berge nach Los Alegres geschlichen — soweit man in einer Cessna 150
schleichen kann. Und seither habe ich meinen Ehrgeiz gezügelt.«
    Sie schwieg, wohl weil ihr der
Bezug zur momentanen Situation aufgegangen war.
    »Lee?«
    »Andere Flugzeuge! Und wenn
jetzt —«
    »Da brauchen Sie sich keine
Sorgen zu machen, nicht um diese Zeit.« Was so nicht ganz stimmte. Aber
inzwischen war wohl anzunehmen, daß jeder, der mitgehört hatte, das Weite
suchte oder auf Distanz blieb. »Immer noch auf Kurs drei-vier?« fragte ich.
»Ja.«
    »Sagen Sie mir, was Sie rechts
sehen.«
    »Nicht viel. Ein paar Lichter.«
    Das Dörfchen Elk. »Und direkt
voraus?«
    »Lichter auf einer Landzunge
und weiter landeinwärts — oh!«
    »Haben Sie den Platz?«
    »Ich hab ihn! Gott, wie er
plötzlich auftaucht, zwischen all den dunklen Bäumen!«
    »Nicht schwer zu erkennen, was?
Okay, das Anflugschema geht links herum, zur Rollbahn zwo-neun. Die Lichter auf
der Landzunge, das ist Mendocino; vermeiden Sie, drüber wegzufliegen, aber wenn
das nicht geht, bleiben Sie über zweitausend Fuß. Wenn Sie die richtige
Position relativ zum Platz haben, gehen Sie in den Einflug über die Platzmitte,
wie anderswo auch. Gehen Sie langsam runter bis auf eintausend Fuß.«
    »Sharon, ich glaube nicht, daß
ich das schaffe. Nicht im Dunkeln, mit einer fremden Maschine.«
    Eine Sekunde lang wollte ich
aus meiner Flugleiterrolle heraustreten, sie anschreien, daß sie die Folgen
hätte bedenken sollen, bevor sie die »fremde Maschine« gestohlen hatte. Aber
ich biß mir auf die Lippe.
    »Sharon?«
    Gott, ging es mir gegen den
Strich, sie auch noch in ihrer Identifikation mit mir zu bestärken! Aber es
mußte sein.
    »Sie werden sie nicht allein
landen, Lee. Wir machen es zusammen.«
    Erneutes Schweigen. Dann:
»Vielleicht schaffen wir’s ja.«
    »Wir schaffen es. Und jetzt
bringen wir sie runter.«
     
    »Citabria zwo-acht-neun, zur
Landung auf zwo-neun.«
    Sie war jetzt wieder ganz
Pilotin, sicher in der Funksprache. Ich schaltete ebenfalls auf diesen Modus
um.»Zwo-acht-neun, wie ist Ihre Höhe?«
    »Zwölfhundert Fuß.«
    »Gehen Sie runter auf tausend,
dann Höhe halten, bis Sie in den Gegenanflug gehen.«
    »Zwo-acht-neun.«
    Ich trat ans Fenster, um
gleichzeitig mit ihr reden und ihren Anflug beobachten zu können. Jetzt sah ich
die Positionslichter der Citabria. Sonny kam von Flugfeld herein, stellte sich
schweigend neben mich. Nervöse Spannung füllte den Raum zwischen uns; selbst
Gilda war wieder unter ihrer Decke hervorgekommen und saß wachsam auf dem Sofa.
    »Zwo-acht-neun, drehe jetzt in
den Gegenanflug zur Zwo-neun.«
    »Höhe?«
    »Eintausend. Oh!«
    In der diesigen Dämmerung sah
ich die Maschine jäh abdriften. »Was ist los, Lee?«
    »Der Seitenwind! Sie haben
gesagt, er hat sich gelegt!«
    »Ich habe gesagt, er hat
abgenommen. Damit umgehen müssen Sie immer noch. Geben Sie Ruder, steuern Sie
gegen.«
    »Ich kann nicht! Der Wind ist
zu stark!«
    Nur keine Panik jetzt! »Er ist
längst nicht so stark wie bei Ihrem Start. Da haben Sie auch gegengesteuert,
also schaffen Sie’s jetzt auch.«
    Schweigen, aber sie tat, wie
ihr geheißen, denn ihr Kurs über Grund richtete sich wieder aus.
    »Sharon — war das eben ernst
gemeint? Daß wir die Maschine zusammen landen?«
    »Ja, das war ernst gemeint.«
    »Warum wollen Sie mir helfen,
nach allem, was ich getan habe?«
    »Darüber reden wir jetzt nicht.
Wir konzentrieren uns ganz drauf, eine gute Landung hinzulegen.« Sie war jetzt
über der Platzmitte. »Vergaservorwärmung anstellen.«
    »Sie wollen gar nicht mich
retten, stimmt’s? Es geht Ihnen um die Maschine.«
    »Nicht in erster Linie. Ich
will nicht, daß jemand verletzt oder getötet wird. Haben Sie die
Vergaservorwärmung angestellt?«
    »Ja. Aber vielleicht will ich
ja sterben. Haben Sie daran schon mal gedacht?«
    Nein, nein, nein, nicht das,
nicht jetzt! »Das ist nicht Ihr Ernst, Lee. Sie sind fürs Überleben gemacht,

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