Wenn alle anderen schlafen
und ließen uns dann auf einem abgewetzten
roten Samtsofa nieder.
»Okay«, sagte Neal. »Das
Wochenende war schrecklich. Es fing damit an, daß Ted behauptet hat, das
Rinderherz sei ein Jux eines alten Freundes. Aber das kam so zögernd raus, daß
ich ihm nicht geglaubt habe. Außerdem wurde er ganz weiß um den Mund, als er
die Karte las — mehr vor Zorn als vor Angst, würde ich sagen.«
»Hat er dir erklärt, worin
dieser Jux besteht, oder den Namen des Freundes genannt?«
»Nein. Er hat nur gesagt, es
sei ein privater Scherz, und ist dann nach oben verschwunden, um sich
umzuziehen, bevor Ricks Limousine kam.«
»Hat es so was früher schon mal
gegeben: private Scherze, die für dich tabu waren?«
»Eigentlich gab es zwischen uns
gar nichts, was tabu war. Jetzt scheint es nur noch Sachen zu geben, die mich
nichts angehen. Aber wie auch immer, du hast uns ja an dem Abend gesehen. Er
war sehr nervös und verschlossen. Hat mehr getrunken als sonst. Als wir wieder
zu Hause waren, ist er noch aufgeblieben und hat Jazz gehört und weiter
getrunken, während ich gleich ins Bett gegangen bin.«
»Und am Samstag?«
»Habe ich vorgeschlagen, er
soll doch auf den Bauernmarkt gehen, um frische Sachen zu kaufen, aber er hat
gemeint, wir hätten letzte Woche viel zuviel gekauft und es sei noch genug Zeug
im Kühlschrank, um das ganze Haus durchzufüttern. Also hab ich vorgeschlagen,
ein paar Nachbarn, die wir mögen, zum Essen einzuladen, aber das hat er gleich
vom Tisch gewischt. Er hat keine Lust auf Leute, hat er gesagt. Dann war’s für
mich Zeit, zur Arbeit zu gehen. Ich war gerade ein Weilchen hier, als er
vorbeigekommen ist, aber nachdem er die neu reingekommenen Bücher durchgeguckt
hatte, ist er wieder gegangen und dann erst eine ganze Weile nach mir zu Hause
aufgetaucht. Als ich ihn gefragt habe, was er den Tag über gemacht hatte, ist
er ausgewichen.«
»Und am Abend?«
»Gab’s alte Spielfilme im
Fernsehen.«
»Hat er getrunken?«
»Nicht mehr als ich. Aber ich
hatte das Gefühl, daß er mit den Gedanken woanders war, obwohl zwei von seinen
Lieblingsfilmen kamen. Ich konnte regelrecht die Räder in seinem Kopf rattern
hören.«
»Hast du ihn gefragt, worüber
er nachdenkt?«
»Ja. Er hat gesagt, über ein
Problem im Büro. Als ich nachgefragt habe, hat er irgendwas von
Rechnungsstellung gemurmelt.«
Weder bei uns noch bei Altman
& Zahn gab es irgendwelche Probleme mit der Rechnungsstellung. Ted
hatte die Abläufe nahezu perfektioniert. »Okay — Sonntag.«
»Sonntags gehen wir
normalerweise zum Brunch in Freddy’s Café in North Beach. Holen uns unterwegs
die Zeitung, lesen beim Frühstück. Aber auch da waren seine Gedanken woanders.
Er hat die ganze Zeit die anderen Gäste angestarrt, so daß sich einige richtig
gestört fühlten. Danach haben wir noch frische Pasta und Sauce fürs Abendessen
geholt und sind nach Hause gegangen. Und dort hatten wir dann diesen blöden
Streit, wer die Wäsche machen soll.«
»Teilt ihr euch die Wascherei
normalerweise?«
»Nein, sonst mache ich das
immer. Ich habe für so was mehr Geduld. Aber am Samstag hat er drauf bestanden,
die ganze Wäsche selbst zu waschen, wollte mich nicht mal runtergehen lassen,
um sie aus der Maschine in den Trockner zu tun. Also habe ich den Rest des
Tages in der Bibliothek rumgekramt und bin mir ausgeschlossen und nutzlos
vorgekommen.«
»Und am Abend?«
»Essen und ein Spielfilm im
Fernsehen, und dann mußte er ganz plötzlich weg. Warum? wollte ich wissen.
Einem Freund zuliebe. Welchem Freund? Er hat einen Namen genannt, den ich noch
nie gehört hatte — John Evans — , und ist verschwunden. Er kam und kam nicht
wieder, also bin ich schließlich ins Bett gegangen.«
»Und dieser John Evans —«
»Frei erfunden, wenn du mich
fragst. Ich habe in Teds Adreßbuch nachgeguckt — nicht drin. Dann habe ich mich
selbst ein bißchen detektivisch betätigt, sämtliche John oder J. Evans im
Telefonbuch angerufen und nach Ted gefragt. Keiner hatte je von ihm gehört.«
»Könnte eine nicht eingetragene
Nummer sein. Oder ein Anschluß außerhalb von San Francisco.«
»Das bezweifle ich.«
»Ich, ehrlich gesagt, auch.«
Ich dachte kurz nach. »Okay, ich nehme deine Aufzeichnungen mit ins Büro und
gehe sie durch. Was habt ihr heute abend vor?«
»Ted behauptet, er muß heute
länger arbeiten, und ich —« Er hielt inne, guckte verlegen drein.
»Ja?«
»Ich habe meine zweite
Karatestunde.«
»Was?« Ted machte seit
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