Wenn auch nur fuer einen Tag
stimmt es. Hätte ich Paolo damals nicht angeschrien und mich auf ihn gestürzt, wäre die Waffe nicht losgegangen und Janas Bruder wäre noch am Leben. Flo war nur zufällig zum Lockvogel geworden. Paolo hatte von Alberti nicht den Auftrag erhalten, einen Fremden abzuknallen, sondern lediglich, meine Loyalität zu testen. Er sollte checken, ob ich Albertis Willen und seinen Befehlen in jeder Situation Folge leisten würde, selbst wenn das bedeutete, im Ernstfall einen Menschen zu töten. Er traute mir zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr, weil er wahrscheinlich ahnte, dass Filippo mir etwas gesteckt hatte und ich am Wegkippen war. Und er hatte den richtigen Riecher. Wie immer.
Ich klingle an Becks Bürotür. Es dauert einen kurzen Moment, dann ertönt seine Stimme aus der Sprechanlage.
»Ja, bitte?«
»Hey, ich bin’s –«
Beck betätigt augenblicklich den Türöffner. Schwerfällig stapfe ich die Stufen hoch zu seinem Büro.
»Wo um alles in der Welt hast du gesteckt?« Beck kocht vor Wut, das sehe ich ihm an. »Du hattest dein Handy die ganze Woche über aus, ich dachte, dir wäre klar, dass das ein absolutes No-go ist! Ein verdammter Vertragsbruch!«
»Ich brauchte meine Ruhe, Mann. Ich war nicht weit weg, bin bloß in einem Hotel abgestiegen. Lässt du mich vielleicht erst mal rein?«
Beck macht den Weg frei und ich werfe mich ächzend auf seine Couch. Mein Kopf dröhnt und meine Glieder schmerzen wie vor einer Grippe.
»Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll …«
Beck winkt ungeduldig ab. »Ich bin schon längst über alles informiert.«
Ich fahre hoch. »Woher?«
»Zunächst einmal … Ich bin selbst dahintergekommen, wer deine Freundin ist. Letzte Woche Mittwoch. Ich habe versucht, dich zu erreichen, aber du hast nicht reagiert, und dann war dein Handy auch noch ausgeschaltet. So konnte ich dich nicht einmal orten.«
Beck lässt sich neben mir auf der Couch nieder.
»Und … wie hast du es herausgefunden?«, frage ich heiser.
»Ich habe in Janas Familiengeschichte gestöbert, was ich viel früher hätte tun sollen.« Er atmet schwer ein. »Die Geschwister hatten verschiedene Nachnamen. Der Junge nahm den der Mutter an, kurz bevor er nach Italien zog. Maniera. Ursprünglich ein slawischer Name, aber für Italiener sehr viel eingängiger und besser auszusprechen als Brecht. Sollte wahrscheinlich seinen Neustart in Rom erleichtern.«
Ich reibe mir die pochende Stirn. »Oh Gott, was für eine verdammte Scheiße.«
»Es tut mir leid, Lukas. Es ist meine Schuld.«
Becks Stimme klingt brüchig, beinahe hilflos. Jedenfalls komplett anders als sonst, was mich noch mehr aus der Bahn wirft. Wenn Beck, diese coole Sau, schon seine Fassung verliert …
Ich schüttle verständnislos den Kopf. »Warum denn deine Schuld?«
»Was Janas Herkunft betrifft, hätte ich eher recherchieren müssen und vor allem gründlicher. Das darf einem in meinem Job nicht passieren. Egal, wie harmlos die Lage auch scheint, man muss skeptisch bleiben. Wachsam. Der Ärger liegt oft ganz nahe. Ich habe mich in dem Gedanken gehen lassen, es wäre bestimmt alles okay mit deiner Freundin. Jana schien … wie ein Lottogewinn für dich. Ich hätte dir dein Glück gegönnt, Junge.«
Ich schlucke und muss plötzlich gegen Tränen ankämpfen. Die ganze Zeit über war ich mehr schockiert als traurig. Komplett gelähmt. Aber jetzt drohen Becks Worte, den dicken Klumpen, der seit Tagen in meinem Hals festsitzt, zu lösen. Ich hole schwer Luft und schlucke ein paarmal, um das Gefühl zu unterdrücken und nicht vor ihm loszuflennen. »Hast du vielleicht … irgendetwas von ihr gehört?«
Beck nickt. »Sie war vor zwei Tagen bei mir.«
»Was?« Ein stechender Schmerz fährt durch meine Narbe an der Schulter. »Weiß sie etwa, dass ich –«
»Nein, natürlich nicht.« Beck schüttelt den Kopf. »Ich habe ihr nichts erzählt.«
Ich atme erleichtert auf. »Und … wie geht es ihr?«
»Nicht so besonders. Sie denkt, du bist enttäuscht von ihr, weil sie dich belogen hat. Weil sie so getan hat, als sei ihr Bruder noch am Leben. Und sie glaubt, dass du deshalb nichts mehr mit ihr zu tun haben willst.«
Ich schüttle den Kopf. Das alles ist der reinste Irrsinn. So falsch, so verdreht. Jana … Jana macht sich Vorwürfe. Sie, deren Bruder ich auf dem Gewissen habe. Sie kennt mich nicht. Sie kennt nur Lukas Richter. Ihn liebt sie. Ihn vermisst sie und ihn will sie um Verzeihung bitten. Nicht Matteo Orsini.
»Es gibt noch eine Neuigkeit,
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