Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)
weiter Richtung Tür zuzulaufen. Schon kam Nikolaj mit großen und festen Schritten hinter der Theke hervor und baute sich eisern zwischen ihr und ihrem Fluchtweg auf.
Sie musste sich anstrengen, um ihrem Mund die Worte zu entlocken. „Was soll das werden? Willst du mich jetzt unter Arrest stellen, weil ich an deinem männlichen Ego gekratzt habe? Ich glaube nicht, dass du das kannst.“ Statt mit dem beabsichtigten Hauch von Zynismus kamen die Worte kläglich aus ihrem Mund hervor.
Ein hohles und schwarzes Lachen entwich Nikolajs Kehle, das ihr die Härchen auf den Armen aufstellte. „Mein Fehler. Ich war nicht gerade sehr offen und freizügig damit, was ich „kann“. Aber damit ist jetzt Schluss. Das verspreche ich dir …“ Er sagte es, als ob sie das freuen sollte. Das tat es keineswegs. Immer noch hatte sie keine Ahnung, was hier gerade ablief.
Sie presste die Lippen aufeinander. „Ich kann gehen, wohin ich will, und wann ich will. Ich brauche keine Erlaubnis von dir.“ Erneut klang es, wie die Worte eines Kindes, das vorzugeben versuchte, sich nicht vor dem Erwachsenen zu fürchten. Doch Nikolajs Gebaren jagte ihr mit jeder Sekunde mehr Angst ein. Er entfernte sich von dem Mann, den sie kannte und wurde zu jemandem, den sie nicht einschätzen konnte. Den sie nicht kannte.
„Du gehst nirgendwohin“, sagte er taxierend. Nach einigen Sekunden wiederholte er seine Worte ein weiteres Mal. Langsam und mit überdeutlichem Nachdruck. „Du gehst nirgendwohin, Gwen. Du bleibst, wo du bist. Genau hier.“
Ärger stieg nun in ihr auf. Gefolgt von noch größerer Furcht. Sie wollte ihm einen zornigen Blick zuwerfen, doch ihr Gesicht spielte nicht mit. Als sie versuchte seitlich an ihm vorbeizugehen, tat er abermals einen Schritt zur Seite und blockierte ihr den Weg. „Nick …! Lass mich vorbei! Du kannst mich nicht hier festhalten …!“
Er neigte den Kopf leicht schräg und entgegnete: „Doch, das kann ich. Genau das tue ich. Ich überlasse es dir, in welche Richtung und Größenordnung sich diese Szene entwickeln muss.“
Ihr Mund war inzwischen wie ausgedörrt. Sie konnte nicht fassen, was er da von sich gab, was hier passierte. Würde er sie wütend anschreien, mit sarkastischen Bemerkungen um sich werfen oder seine Enttäuschung kundtun, so hätte sie es zumindest greifen und zuordnen können. Unabstreitbar meinte er ernst, was er sagte. Doch das konnte nicht sein ernst sein.
Erneut trat sie entschlossen vor. Nikolaj packte sie straff um beide Oberarme. So fest, dass sich ihre Finger unwillkürlich vom Griff der Taschen lösten und diese zu Boden fielen.
Tränen trieben ihr in die Augen. Vor Schmerz und vor Entsetzen. „Du tust mir weh … Nick!“
„Tue ich das? Sollte mich das kümmern? Hat es dich gekümmert, als du mir wehgetan hast? Quid pro quo, Gwen. Und inzwischen habe ich eine Menge gut bei dir …“ Er taxierte sie mit einer Kälte, die ihr wehtat, wie ein körperlicher Übergriff.
„Nick … Ich wollte das nicht. Ich wollte dir nicht wehtun. Es gibt immer einen Grund. Das hast du selbst gesagt. Bitte … lass mich los. Hör auf damit. Bitte …“
Er lockerte seinen Griff, ließ ihren rechten Oberarm los, hob die Hand und strich ihr einige Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Es spielt keine Rolle mehr. Spar dir die Worte. Spar dir deine Luft. Die brauchst du gleich noch zu genüge für andere Dinge.“
Sie starrte ihn an. Verständnislos, fassungslos und benommen.
„Willst du gleich hier vor mir auf die Knie gehen oder sagt dir das Schlafzimmer mehr zu?“, fragte er provokant.
Sie zuckte unwillkürlich zusammen. „Wa … was … soll das heißen? Was meinst du damit …?“
Er neigte den Kopf leicht schräg, legte Daumen und Zeigefinger an sein Kinn und stellte ein nachdenklich gespieltes Gesicht zur Schau. „Hmmm … ist das wirklich so schwer zu erraten? Sicherlich hat dich dein Anwaltfreund das ein oder andere Mal darum gebeten. Würde mich wundern, wenn dem nicht so war. Ich würde sogar Wetten darauf abschließen, dass er ganz scharf drauf ist, wenn man vor ihm zu Kreuze kriecht. Also sag schon: Wie oft durftest du vor ihm in die Knie gehen?“
Sie hörte die Worte, aber sie drangen nicht vollständig zu ihr durch. Sie wollte nicht, dass sie vollständig zu ihr durchdrangen. Das waren nicht seine Worte. Das waren nicht seine Worte. Sie holte das letzte bisschen Stärke aus sich heraus und legte es in ihre Stimme: „Hör endlich auf
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