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Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)

Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)

Titel: Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Andrea Huber
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drückte ihr einen Abschiedskuss auf die Lippen und drängte seinen Geschmack überdeutlich in ihren Mund, ganz so, als ob er sein Revier markieren wollte.
    Dann ließ er von ihr ab, schob beide Einkaufstüten in ihre rechte Hand, machte kehrt und schritt ohne ein weiteres Wort davon.
    Intensiv blieb sein Geschmack in ihrem Mund zurück. Sie wusste nicht, ob sie es als abstoßend oder tröstend empfand.

SIEBZEHN
     
     

    Der Tag der Beisetzung gebar sich in einer wechselnden Mischung aus hauchfeinen Schneeflocken und Nieselregen, eingebettet in ein nasskaltes und ungemütliches Klima. Nach und nach fanden sich Familienmitglieder sowie Freunde und Bekannte ihres Vaters ein, um nach einem intimen Zueinanderfinden gemeinsam zur Kirche zu fahren.
    Gwen kam sich vor, wie auf einem Minenfeld. Sie musste auf jeden ihrer Schritte achten, denn kam sie in die Nähe eines Verwandten oder Bekannten, wurde sie direkt in ein Gespräch verwickelt, dessen Anfang, Mitte oder Ende jedes Mal um die Frage kreiste, warum man sie so lange Zeit nicht zu Gesicht bekommen hatte. Was sie darauf erwidern sollte, wusste sie nicht wirklich. Sie konnte sich die Frage nicht mal selbst beantworten. Nicht zufriedenstellend.
    Die feine Ahnung, die sie jedoch nicht wahrhaben wollte, war die, dass sie ihren Eltern niemals zur Gänze verziehen hatte, was die Zwangstrennung von Nick anging. Beim Gedanken an diese Erkenntnis, fuhr jedes Mal aufs Neue ein scharfer Schnitt durch ihre Brust, der sie Mühe kostete, sich nicht zusammenzukrümmen.
    Nick war im Moment schon so vieles. Ihr Himmel und ihre Hölle. Ihr Fels und die fortreisende Gischt. Ihre Erlösung und ihre Verdammung. Sich nun auch noch einzugestehen, dass er möglicherweise der Grund war, warum sie ihre Eltern nicht öfter besucht, ihren Vater nicht öfter zu Gesicht bekommen hatte, ehe dies alles passiert war, war eine unbarmherzige Erweiterung der langen Liste kummerhafter Tatsachen.
    So pirschte sie durch das hochexplosive Minenfeld der Trauergemeinde, vermied jeglichen Blickkontakt, blieb ständig in Bewegung und hielt sich nicht länger als ein paar Sekunden auf einem Fleck auf. Stattdessen tat sie, als ob sie beschäftigt war oder dringend etwas erledigen müsse.
    Sie warf einen raschen Blick auf die Uhr. Es blieb noch etwa eine dreiviertel Stunde, bis sie sich auf den Weg machen würden. Diese Zeitspanne galt es noch abzusitzen. Indem sie mit einem regelrechten Sprung in der Küche verschwand, gelang es ihr gerade noch dem alten Schulfreund ihre Vaters auszuweichen. Die Küche war bis auf eine kleine Anzahl von Personen unberührt. Der Großteil hielt sich glücklicherweise im Wohnzimmer auf.
    Sie kochte Wasser auf und goss es in eine Kanne mit eingehängtem Teesieb. Sie gab sich derart konzentriert, dass niemand sie ansprach. Für eine Weile zumindest. Dann trat plötzlich ihre Mutter an sie heran.
    Sie sah äußerst bleich und erschrocken aus, und als sie sprach, klang ihre Stimme weder sonderlich fest noch sonderlich kontrolliert. „Gwen, da ist jemand für dich … Er sagt … du hättest ihn sicherlich schon erwartet.“
    Sie schluckte schwer und starrte ihre Mutter an. Konnte sie wirklich meinen, was sie dachte?
    „
Jemand 
…?“ Das Wort triefte von Unbehagen.
    „Mir scheint, du weißt bereits ganz genau, welcher jemand …“, antwortete ihre Mutter auf ihren unausgesprochenen Gedanken. Unverkennbares Unverständnis gepaart mit dem Anflug von Wut schwang in ihrer Stimme mit.
    Wagte er es tatsächlich hier aufzutauchen? Was wollte er hier? Und wie sollte sie ihrer Mutter sein Auftauchen erklären? Wie sollte sie ihr erklären, dass sie erneut zueinandergefunden hatten? Dass sie erneut auf ihn hereingefallen war,  wie ihre Mutter es nennen würde? Und konnte man es aktuell nicht genau so nennen? Hatte sich die Befürchtung ihrer Eltern nicht bewahrheitet? „Ich … wusste nicht … dass er kommt. Ich … habe ihn nicht darum gebeten.“ Es war die Wahrheit. Dennoch konnte ein winziger Teil in ihr nicht umhin, sich zu freuen.
    „
Masochistin
“, echote die Stimme in ihr. Abwertend und amüsiert.
    Ihre Mutter kaute auf ihrer Unterlippe herum, ehe sie nüchtern erwiderte: „Ich glaube nicht, dass dein Vater sonderlich erfreut gewesen wäre, hätte er feststellen müssen, dass du dich wieder mit diesem … Jungen abgibst. Wir haben damals nicht umsonst alles hinter uns gelassen, um dich von ihm fernzuhalten. Bedeutet dir unsere Meinung denn so wenig? Was meinst du, würde

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