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Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)

Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)

Titel: Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Andrea Huber
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dieser Zauber getan hat?“ Gwen sah sie verwirrt an.
    „Den wirklichen Grund, die tatsächliche Verwirklichung kennt bis heute niemand, außer mir.“
    Gwen stutzte. „Was soll das heißen? 
Die tatsächliche Verwirklichung
?“
    „Sag mir, Gwen. Nun, da du Lilith gewesen bist, gefühlt hast, was sie gefühlt hat, gedacht hast, was sie gedacht hat: Was war der Grund für ihren Zauber? Was wollte sie damit bewirken? Was war ihre Intention?“
    Erneut mühte Gwen sich nachzudenken und sich die Erlebnisse in Erinnerung zu rufen, die bis eben noch ihre eigenen gewesen waren. „Sie wollte … andere vor dem gleichen Schicksal bewahren. Sie wollte nicht, dass jemand das gleiche Grauen, den gleichen Schmerz, durchleben und erfahren musste, wie sie selbst. Sie wollte … dass andere davor verschont blieben.“
    Die schöne Frau nickte anerkennend. „Ja, das war ihre ursprüngliche Intention. Sie wollte etwas zurücklassen für diese anderen Menschen, die anderen Hexen, ihre Schwestern: Hoffnung. Gnade. Rettung. Gerechtigkeit. Schutz.
    Lilith bat mich um meine Hilfe und Unterstützung für die Verwirklichung ihres Zaubers. Ich tat, was mein Kind von mir erflehte und gab ihm meinen Segen, meine Kraft und Energie, um sich zu materialisieren. Doch … es gab einen verborgenen Einfluss, der jenen Zauber zu einem Fluch werden ließ. Ich … hatte es nicht kommen sehen … Eine weitere Macht, ein weiterer Initiator, hatte seine Finger im Spiel. Hätte ich geahnt, was passieren würde, hätte ich mich wohl gegen mein Kind stellen und ihre Bitte verwehren müssen.“ Sie hielt bedrückt inne.
    Gwen sah sie verständnislos an.
    Etwas schwerfällig fuhr Hekate fort: „Was hat Lilith gefühlt? Was hast du gefühlt, als du sie warst? Wenn du ganz genau hinsiehst, ganz genau wahrnimmst: Was hast du gefühlt?“
    Gwen schloss die Augen, ging in sich und ließ die Empfindungen und Gefühle zu sich strömen. „Unendlichen Kummer und Schmerz. Unendliche Trauer. Alles in ihr war … zerbrochen. Alles in ihr war … tot.“
    Hekate drängte weiter: „Und noch tiefer? Wenn du noch tiefer gehst, noch genauer hinsiehst: Was fühlst du dann? Was findest du dann?“
    Abermals ließ sie sich von den Empfindungen und Gefühlen durchfluten. Auch, wenn sich alles in ihr dagegen sträubte, alles nochmals neu in sich aufleben zu lassen. Abwehrend sagte sie: „Da ist nicht mehr … Da ist nur all dieser … Kummer … und dieser …“ Unwillkürlich verspannte sich alles in ihr und zog sich zusammen. Da war tatsächlich noch mehr. Tiefer. Verborgen. Versteckt. Aufgeregt und leicht keuchend sagte sie: „Da ist … Wut … Zorn … Hass … und der brennende Wunsch nach … Rache und Vergeltung … nach Strafe und Sühne.“ Sie schüttelte sich heftig, um diese grässlichen Empfindungen zu verscheuchen, die sich gleichsam einer giftigen Chemikalie in ihrem Inneren ausbreiteten, ätzten, und sie mit einem heißen und bohrenden Brennen durchfluteten.
    Da spürte sie plötzlich eine Hand auf ihrem Knie und sah auf. „Ja, genau das. Voller Schmerz und Kummer, voller Unverständnis gegenüber der Kirche, die solch ein Verbrechen an Unschuldigen, an ihren Schwestern, verüben konnte und es als rechtmäßige Strafe Gottes ausgab, sprach Lilith ihren Zauber. Sie wollte dafür sorgen, dass künftig keine Hexe mehr solch ein Schicksal würde teilen müssen, nur weil man ihre Kraft und Macht als bedrohlich empfand. Nur weil sie von Männern als bedrohlich empfunden wurde.
    Du musst wissen, dass damals nur Männer an der Macht gewesen sind. Insgeheim war es vorrangig die Furcht vor der weiblichen Kraft und Energie gewesen, und nicht die Absicht Gottes Gesetze zu vollstrecken, die sie zur Verfolgung, Folter und Vernichtung der Hexen bewogen hat. Ihre von der religiösen und dogmatischen abweichende Lebens- und Denkweise mag sicherlich ein Verstärker gewesen sein, der ihre Bedrohlichkeit nochmals hervorgehoben hat, aber der zentrale Faktor, der ihnen Angst gemacht hat, war einfach das ursprüngliche Wesen der Hexen.
    Liliths Zauber sollte Hüter hervorbringen, die die Hexen beschützen sollten. Ritter, die die Kraft und Macht der Frauen respektieren, ehren und hüten würden, ohne sich von ihnen bedroht zu fühlen – oder sie töten zu wollen. Diese Hüter sollten sich aus ihrem Licht heraus materialisieren. Gewissermaßen also aus ihrem Herzen geborene Schutzgeister, die als Gegenpol zur Kirche und ihren männlichen Vorstehern

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