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Wenn das der Führer wüßte

Wenn das der Führer wüßte

Titel: Wenn das der Führer wüßte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otto Basil
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proteschiert. Allerhand Hochachtung, Sie habn net schlechte Verbindungen.“ Telefonierpause. „Awa wie kommens dorthin? Der Herr Professor wohnt ganz in der Einschicht, wartens, in [Hirnchristl blätterte wieder in dem Kalender] in Sauckelruh ob Rundstedt, Villa Walpurgis, Brocken-Nähe. Bis Magdeburg hamms die Autobahn, von dort über Halberstadt und Wernigerode Hauptverkehrsstraßen. Der Harz liegt ja net grad auf Ihrem Weg. Awa schauns, daß Sies irgendwie schaffen. Es ist ziemlich egal, wanns hinkommen – aufm Rückweg halt. Hier die Fernsprechnummer des Herrn Professor, samt der Vorwählnummer. Übrigens, der hat aa an Telex, was sagns!“
    Wie das alles klappte, am Schnürchen ging! Höllriegl kam sich wie eine Schachfigur vor, die ein unsichtbarer Spieler von einem Feld aufs andere schob. Dieser Gedanke hatte etwas Beruhigendes, es war gut so. Alles war gut. Manchmal war es schön, nicht denken zu müssen. Andere – die Mächtigen – taten das für einen. Eine heile Welt.
    Das Schreibfräulein vermerkte die Besuchszeit auf dem Zettel, und Ostuf Hirnchristl machte seine Paraphe. Höllriegl empfahl sich, die Hacken zusammenschlagend und den rechten Arm hochschnellend – auch sein Gegenüber nahm Haltung an, schob augenblicks das schwächliche Kinn vor, wobei die blassen Augen einen stählernen Glanz bekamen.
    Auf der Treppe, als er an den Wachen vorbei in die Tiefe stieg, überfiel ihn plötzlich eine entsetzliche Müdigkeit, es war, als sei flüssiges Blei in seinen Adern. Immerhin, er hatte noch Zeit zum Ausruhen. Nur schnell zurück zur Pension.
    In seinem Zimmer – einem überheizten, beengenden Raum von lähmender Unpersönlichkeit – warf er sich angekleidet auf die Ottomane und schlief sofort ein. Es war kein erquickender Schlummer. Besonders quälte ihn eine Traumszene, die in mehreren Phasen, mit vertauschten Personen, immer wiederkehrte. Ein schwarzbärtiger, einäugiger Mensch in Mantel und Schlapphut, einen Schlachtschußapparat in der Hand und umringt von Metzgergesellen mit blutbespritzten Schürzen, versuchte ein gefesseltes Pferd – Höllriegl wußte, daß es eine Stute war – zu töten. Wenn man aber genauer hinsah, war zu merken, daß die Stute ein nacktes Weib war, hellhäutig, mit weizenblonden Zöpfen und strammen Formen – die Fesseln schnitten tief ins Fleisch. Höllriegl wollte hinstürzen, das Opfer befreien, da warfen die Schlächter sich auf ihn und banden ihn an einem anderen Holzblock fest. Der Mann mit der leeren Augenhöhle war verschwunden, an seiner Statt schwang nun die nackte, blonde Frau, ihrer Fesseln ledig, ein Messer, das sie auf einem altmodischen Schleifstein mit Fußbetrieb schärfte, wie Höllriegl ihn in der Kindheit bei herumziehenden Scherenschleifern gesehen hatte. Es war aber nicht die schöne Amazone von vorhin, sondern ein fahles, knochiges, aufgeblondetes Geschöpf mit rotgeränderten Basedow-Augen und ballonartigen Brüsten. Sie näherte sich ihm mit neugieriger Miene und schnitt langsam seine Kehle durch. Höllriegl wollte schreien, konnte aber nur gurgeln, glucksen. Ein Blutstrom brach aus seinem Mund …
    Er erwachte, es war ein Viertel vor sechs. Druckgefühl und Schmerzen im Hinterkopf. Er ließ etwas Wasser ins Waschbecken rinnen und wusch sich das heiße, trockene Gesicht. Dann nahm er zwei Pendel aus dem Koffer, auch eine Rute. Er prüfte die Geräte sorgfältig und mit innerer Sammlung. Als er fertig war, läutete es.
    Im Vorzimmer standen zwei Männer in Zivil. Wie sehen Wächter (oder Wärter) aus? Sie sehen nach nichts aus, und das ist ihr Signalement. Wortlos begleiteten sie Höllriegl zum Wagen, der an der Ecke wartete. Wind hatte sich inzwischen aufgemacht und stäubte einem feinen Regen ins Gesicht. Greuliches Wetter! Die hell erleuchtete Straße war menschenleer.
    Es war ein dunkelgrüner Polizeiwagen mit blauen Lichtern, in dem man „per Schub“ befördert wurde. Einer der Männer öffnete die Tür in der Rückwand und half Höllriegl einsteigen. Keine Fenster, nur schmale gedeckte Öffnungen ohne Sichtmöglichkeit. Auf die Holzbank hatte man einen Polster gelegt. Rührend, er war Nobelhäftling. Die Tür klappte zu, man ließ ihn in dem trüb erhellten Abteil allein.
    Als das Gefährt sich zu bewegen anfing, griff Höllriegl – fast gedankenlos, rein mechanisch – unter den Sitz. Gab es hier Auspuffrohre ins Wageninnere? Er fand nichts. Das war also kein Himmelfahrtswagen.
    Die Fahrt dauerte etwa eine halbe Stunde. Vielleicht

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