Wenn das der Führer wüßte
Volksgenossen, allen Nationalsozialisten, Männern und Frauen, von allen Soldaten der Wehrmacht verlange ich, daß sie dem neuen Führer, meinem Nachfolger, und seiner Regierung treu und gehorsam sein werden bis in den Tod. Vor allem verpflichte ich die Führung der Nation und die gesamte Volksgemeinschaft zur peinlichen Einhaltung der Rassegesetze und zum unbarmherzigen Widerstand gegen alle jene, die sich den Segnungen der Neuen Ordnung verschließen, diese zu untergraben versuchen und damit den Bestand und das Gedeihen der abendländischen Kultur in Frage stellen. – Auf dem Berghof bei Berchtesgaden, gegeben den 3. November 196..“
Die Dolmetscher in ihren schalldichten Kabinen hatten die Führerrede auszugsweise in allen Weltsprachen verlautbart, wobei die Worte des Originals immer wieder in die Übertragungen eingeblendet wurden. Kaum war Hitlers Botschaft verklungen, schnellte Köpfler in die Höhe und sagte mit hoher, schneidender Stimme – die Großaufnahme zeigte seinen magnetischen Blick:
„Meine Volks- und Parteigenossen! Die von Adolf Hitler aus der Partei und ihren Ämtern ausgestoßenen ehemaligen Mitglieder des Reichsrats Unseld und Diebold sind flüchtig und zur Zeit noch unbekannten Aufenthalts. Als der mit der Partei- und Reichsführung betraute Garant für Sicherheit und Ordnung befehle ich allen Gefolgsleuten in Partei und Wehrmacht, darüber hinaus jedem Volksgenossen, die flüchtigen Landesverräter stellig zu machen und sie entweder der Reichsgerichtsbarkeit zu übergeben oder, falls es die Sachlage erfordert, sogleich an Ort und Stelle zu richten.
Um ferner zu gewährleisten, daß meine Befehle schlagartig durchgeführt werden, entbinde ich den nach dem Letzten Willen Adolf Hitlers zum Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei bestellten Gauleiter Gernot Firbas von seinen Pflichten und übernehme bis auf weiteres selber diese Agenden.
Außerdem stelle ich alle Werwolfverbände unter meinen Oberbefehl.
Der verewigte Führer und Weltreichsgründer wird sein Grab im Kyffhäuser finden. Der genaue Zeitpunkt steht noch nicht fest, er wird zur gegebenen Stunde verlautbart werden. Bis zu diesem nicht mehr fernen Tage bleibt die von mir verfügte Nationaltrauer in den Grenzen des Großgermanischen Reiches und aller seiner Schutz- und Trutzgebiete in vollem Umfang aufrecht.
Heil Deutschland!“
Wiederum donnernde, nicht endenwollende Heilrufe. „Heil Köpfler!“, „Heil dem neuen Führer!“, „Heil Germanien!“ Die Übertragung auf die Netzwerke der außerdeutschen Welt war bei der Ansprache Köpflers abgeschaltet worden. Dort sprachen jetzt die Führer und Unterführer zu ihren Völkern.
Die Lieder der Nation waren nur in der Frühzeit der großen Siege mit solcher Begeisterung gesungen worden. Trunken vor Stolz und Glück ging Höllriegl in sein Zimmer zurück. Das große Gelage, das im Reichsrat nach jeder Sitzung stattfand – in Erinnerung an die einstigen Bürgerbräuabende gehörte es zum Weckruf-Ritual –, ersparte er sich. Auch die übrigen Pensionsgäste gingen auseinander, man sprach kein Wort. Lange konnte er vor Erregung nicht einschlafen. Und erst sehr spät kam ihm zum Bewußtsein, daß ihn manches an dieser Kundgebung mit geheimem Widerwillen, ja mit Angst und Schaudern erfüllt hatte.
Naphthalin
Ever have I been, and shal, how-so I wende,
Outher to live or dye, your humble trewe;
Ye been to me my ginning and myn ende,
Sonne of the sterre bright and clere of hewe,
Alwey in oon to love yow freshly newe,
By god and by my trouthe, is myn entente;
To live or dye, I wol it never repente!
Chaucer zugeschrieben
Rätselhaftes geschah. Es war am frühen Morgen, Höllriegl schrieb gerade seinen Bericht ins reine, als Anselma anrief. Sie war ihm mit dem Anruf zuvorgekommen, was ihn zuerst mit jäher Wonne erfüllte. Ihre Stimme klang spröde, aus Nervosität versprach sie sich sogar ein paarmal. Er möge mit ihr zu Mittag essen, abends sei es ungewiß. Und weil sie wenig Zeit habe, werde sie ihn in der Kantine des Auswärtigen Amtes erwarten. „Wenn ich es dienstlich schaffen kann, so sehen wir uns auch abends – bei mir zu einem chinesischen Nachtmahl. Vergessen Sie dann nicht, ihre Pendel mitzubringen …“ Höllriegl war es kribbelig zumute, leise pfiff er durch die Zähne. Das Abenteuer, mehr war es wohl nicht, ging weiter.
Seinem „gelegentlichen“ Mädchen, einer in Heydrich beschäftigten Damenfriseurin, schrieb er ein
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