Wenn das der Führer wüßte
schrecklich gern, Anselma, ich möchte Sie …“ Er sah leidenschaftlich in ihre Augen, die plötzlich, so schien es, einen Ausdruck von Hingabe hatten. Trotz der Wurstigkeit, die ihn beseelte, erschrak er über seine Kühnheit – zum erstenmal hatte er Frau Geldens beim Vornamen genannt. Impulsiv rückte sie einen Moment an ihn heran, auch für sie schien die Umgebung zu versinken. Ihre Gesichter waren einander nahe. Anselmas Hand begann in der seinen zu zucken, doch schon zog sie sie zurück.
„Ich denke, Sie lieben Ulla.“ Das war offen. Direkter Angriff.
„Ja … ich verehre Frau von Eycke … verehre sie sehr. Wie ein Idol“, log Höllriegl, und log auch wieder nicht. „Ich stelle sie sehr hoch.“ Er wich Anselmas Blick aus, der nicht ohne Ironie war. An der Saalwand gegenüber sah man eine frischübertünchte, noch leserliche Inschrift in der verschnörkelten Art, wie man sie in altdeutschen Weinstuben antrifft. „ABENDLÄNDISCH DENKEN, DEUTSCH HANDELN“ stand da.
„Was wollen Sie von mir?“ Eine Frage von schimmernder Kälte.
„Ich will Sie ! Sie gefallen mir!“ Wieder langte er nach ihrer flüchtigen Hand. „Ich liebe Sie, ich liebe Sie! Ich liebe alles an Ihnen, Ihre Kraft, Ihre Rasse, Ihr Od – mit Ihnen könnt ich glücklich sein. Ich wars nie, seit ich denken kann. Von Ihnen geht Stärke aus, sieghafte Zuversicht! Sie machen mich stark und gläubig. Sie sind eine herrliche Frau! Sie sind anders als die andern … so besonders … eine Herrin!“ Er spürte die Abgedroschenheit dieser Worte, aber seine Stimme war vor Erregung tief und schmerzlich.
Anselma musterte ihn aufmerksam, sie lächelte über so viel Torheit, ihre Augen ließen ihn nicht los. „Ich fürchte, ich bin nicht das geeignete Objekt für Ihre Wünsche. Ich bin nüchtern, nicht so romantisch. Sie sind ein altmodischer Typ, Sie packen gern Gefühlskisten aus. Aber – auch Sie gefallen mir, Sie haben mir schon in Radebeul gefallen, damals, als Sie nur Augen für Ulla hatten – und zugleich gefallen Sie mir auch nicht. Sie sind ein zu weicher Mensch, Sie lassen sich zuviel gehen – das ist wider unsere Art, paßt nicht in unsere Zeit! Vielleicht sind Sie gar ‚menschlich’? Pfui Teufel! – – – Übrigens, an Ihre sogenannte Liebe glaub ich nicht. Das Wort Liebe sollte nur gebraucht werden, wenn es gilt, die Art, die Rasse zu erhalten. Was wissen Sie davon? Liebe, wie Sie es meinen, gibt es nicht – in Ihrem alten, romantischen Sinn – hats nie gegeben! Das ist ja, als würden Klamotten ausgelüftet. Es riecht nach Naphthalin. Wissen Sie, es gibt nur Einsamkeit – die gibts wirklich! Man sucht sich seinen Partner fürs Bett, nicht mehr! Um nicht mehr so einsam sein zu müssen – außerdem macht es Spaß. Sie suchen eine Frau, weil Sie vor sich selbst davonlaufen möchten, oder? Oder weil Ihre Drüsen noch zu jung und stürmisch sind. Haben Sie kein Mädchen, mein Armer? [Pause. Er verschlang sie mit seinen Blicken, Stück für Stück.] Ich gefalle Ihnen – ja?“
Die Frage war entwaffnend. (Herrgott, sie konnte kokett sein!) Höllriegl faßte Anselmas widerstrebende Hand und küßte die feinen Knöchel. Er hatte den Wunsch, diese Hand, die sich fest geschlossen hatte, zu öffnen, aufzubrechen, das Innere zu küssen. Sie erriet seine Absicht und wisperte: „Geben Sie acht, wir sind nicht allein.“ Ungeachtet dieser Warnung, die ja auch für sie selber galt, versenkten sich beider Blicke ineinander – so tief, so lange, so verzehrend, daß rundherum alles schemenhaft wurde. Ein insulares Stadium war erreicht, extreme Zweisamkeit. Anselmas Gesicht wurde ernst, hingebend, ihre Augen bettelten.
„Sinfessel, ich liebe Sie! Ich will Sie!“ sagte er leise.
„Ich heiße Knefrôdh.“
„O nein, ich bin es, der auf den Knien liegt – vor Ihnen!
Ich bete Sie an! Sie können mit mir alles tun, was Sie wollen. Tun Sie es doch! Ich liebe Sie!“
„Liebe? Sie meinen die Drüsensache, die sich Liebe nennt? Sie möchten mich haben – und ich möchte Sie – vielleicht. Das ist alles.“ Anselma log nicht, ihre Augen logen nicht.
Höllriegl suchte in seiner Verwirrung nach Worten. „In mir ist eine so große Spannung! Ich bin glücklich, Sie machen mich glücklich, und ich bin auch unglücklich. Ich bin so gespannt nach Ihnen, Anselma!“ Er wußte, daß es Lust war, was er begehrte, Geborgenheit, Betäubung, Flucht. Er schämte sich und versuchte gar nicht, es zu verbergen. „Mit Ihnen könnt ich
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