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Wenn das der Führer wüßte

Wenn das der Führer wüßte

Titel: Wenn das der Führer wüßte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otto Basil
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zugleich ab. Er hätte nicht sagen können, warum.
    Die ihm zunächst sitzenden zwei Herren flüsterten angeregt miteinander. Zuerst versuchte er mitzuhorchen, schließlich schaltete er sich ins Gespräch ein. Der eine war aus dem nahen Aschersleben, Vertreter in Waschmaschinen und Waschmitteln, er stellte sich nicht namentlich vor; der andere war Berliner, wie man am Dialekt erkennen konnte. Dieser zückte sofort eine Visitenkarte, er hieß Clemens Südekum, seines Zeichens Komponist – den Namen hatte Höllriegl schon gehört. Tatsächlich: der Mann war nach dem Krieg mit einer romantischen Landser-Oper, „Lilli Maleen“, sehr erfolgreich gewesen und hatte volkstümliche Filmmusiken geschrieben, zuletzt die Musik für den Streifen „Auf der Haid, da steht ein Mägdulein“ (was alles auf der Karte angegeben war). Er stellte sich auch als prominenter Schallwerker vor, das heißt, er arbeitete für den Schallplattenmarkt. Die beiden wollten gleichfalls zu Gundlfinger – morgen war ja in der Villa Walpurgis allgemeiner Sprechtag. Wie Herr Südekum durchblicken ließ, hatte er vor, Gundlfinger zur Hauptfigur einer „sinfonischen Filmdichtung“ zu machen, die in markanten Episoden die Geschichte des Deutschen Denkens abwandeln sollte.
    Die Herren schienen gute Beziehungen zu hohen Parteistellen zu haben. Der Waschmaschinenvertreter arbeitete im freiwilligen Einsatz in der Kreiswaltung der DAF und hatte, wie er nicht ohne Stolz erwähnte, im laufenden Jahr den Leistungskampf der deutschen Betriebe in seiner Heimatstadt aufgezogen. Man merkte ihm den besessenen Parteigefolgsmann an, doch schien er – Höllriegl hatte einen sechsten Sinn für derlei Dinge – noch den alten Kadern anzuhängen. Der Musiker, sein glattes Wesen, ewiges Grinsen und geschniegeltes Aussehen erinnerten an den Empfangschef eines Kurhotels, enthielt sich jedes direkten Wortes, seine politische Farbe schien die Farblosigkeit zu sein. (Schnittlauch auf allen Suppen, ein Streber, dachte Höllriegl.) Sonst aber sahen die Herren einander ähnlich wie ein Parteiabzeichen dem andern; sie wären ohne weiteres miteinander austauschbar gewesen. Die wohlgenährten, gutgefärbten, bebrillten Gesichter, die kugeligen Köpfe – nur hatte der Komponist eine Glatze samt gepflegtem Haarkranz, der Vertreter den militärischen RHS (Reichshaarschnitt) mit Bürste und rechtsseitiger „Lausallee“ –, der gewisse Adlerblick, auch alles übrige: eine Einheitlichkeit, die an die Bildzeitungsfotos der Massen von Nürnberg erinnerte und Höllriegl jedesmal mit Selbstsicherheit, ja mit Genugtuung erfüllte. Es war eine heile Welt, deren Stärke sich auch in solcher Gleichartigkeit kundtat.
    Nachdem die zwei Männer den Neuen, wie es üblich war, eine Weile weltanschaulich abgetastet hatten, wurde der Agent in Waschsachen dem Kameraden Amtswalter gegenüber freimütiger, ja in der Folge recht deutlich. Die letzten Meldungen, die der Mann – er war im Besitz des sogenannten untersten Parteicodes und konnte daher bestimmte Rundfunkmeldungen entschlüsseln – noch in Aschersleben mitgekriegt hatte, bestätigten das, was Höllriegl bereits wußte, jedoch für Greuelmärchen hielt: Starke sinojapanische Luftlandetruppen operierten mitten in Europa, sie waren ununterbrochen und unangefochten aus schweren Transportmaschinen eines Strato-Typs, den die Abwehr nicht hatte auskundschaften können, über sage und schreibe fünf Punkten des Kontinents abgesetzt worden, man konnte sogar von gut funktionierenden Luftbrücken sprechen: in Evpatoria auf der Krim, bei Badajóz an der spanisch-portugiesischen Grenze, in Armagh (Ulster), bei Oulu in Finnland und zwischen Verona und Mantua. An allen diesen Stellen hatte der Feind Unterstützung und auch Zuzug von der Bevölkerung erhalten, was die Bildung von Stützpunkten und Igelstellungen wie auch bewegliche Operationen überhaupt erst möglich machte. Gegenschläge, Abriegelungen und dergleichen waren zwar sofort erfolgt, nur wisse man über das Schicksal der dort stationierten Kräfte der Wehrmacht und SS nichts Bestimmtes, es sei aber so gut wie sicher, daß auf der Krim der Stuba I (Oberbayern) der SS -Totenkopfverbände-Ost sowie einige Waräger-Einheiten vollständig aufgerieben worden waren, daß in Dublin der von der katholischen Geistlichkeit aufgehetzte Mob das dortige RuSH, das Rasse- und Siedlungshauptamt für den gesamten irischen Freistaat, in Brand gesteckt und die daraus Flüchtenden auf bestialische Weise langsam

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