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Wenn das der Führer wüßte

Wenn das der Führer wüßte

Titel: Wenn das der Führer wüßte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otto Basil
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gewesen. Fafnir predigt den Schwarzalben. Was aber bewachte dieser Wurm? Der Weisheit Hort? Oder war der Schatz, den er bewachte, ein Knabe – jener Bote von Valhöll mit der Glockenstimme? Hatte er den jungen Siegfried, den Sigurdhr der Eddalieder, gesehen? Es war wie das Aufleuchten des Nordlichts gewesen, und einen Augenblick lang hatte ihn der Glanz der Götterwelt getroffen – mitten ins Herz!
    Was würde Anselma zu alldem sagen? Höllriegl sah ihr hochmütiges Gesicht sich zu einer Grimasse verziehen. Hier riechts nach Naphthalin! Der romantische Götterglaube aus der Mottenkiste, das Leben eine Wagner-Oper! („Glauben Sie wirklich an diesen Mumpitz? Solche Märchen kann man höchstens Pimpfen erzählen …“) Und doch – irgendwas Schönes, Lichtes mußte es geben! Anselma war hart und schneidig, sie war ein Werwolf. Nicht durch Zufall hatte er ihr als Minnenamen einen Männernamen gegeben: Sinfiôtli, Sinfessel. Der paßte zu ihr, weiß Gott. Werwölfe, NATMAT, Schreckenshelm – das alles war schwärzeste Finstermacht, es waren Ausgeburten der Erdtiefe wie die Nibelungen. Aber auch Bundschuh und Armer Konrad … Wo war die Mitte, die goldne Mitte? War die Mitte die Partei – der Schoß, aus dem der neue Adel gekommen war, die Wiege des Herrenvolks? Wo er hingriff, fühlte er Morast. Was blieb zum Anhalten? Was blieb ihm noch? Ein Spruch aus dem „Fafnismal“ fiel ihm ein, ein Satz, den er auf einmal tiefer verstand: „… den Verfallenen gefährdet Alles.“ Das war mehr denn je auf ihn gemünzt. Und Ulla? War sie es, von der die Adlerinnen raunten: „Dort stach mit dem Dornen einst durch ihr Gewand / Wodan die Maid, die nach Männern begehrte …“ Ulla, dieses Wunder an Schönheit, die Goldbegabte! Sie hatte ihn verschmäht, die Grausame, Grausige! Nie mehr! Nie mehr! Auf seiner Stirn brannte die Schramme wie Waberlohe.
    Er sah Leute eilends aus der Villa kommen und im Wald verschwinden. Entweder war der Empfang vorüber oder abgebrochen worden. Er sah auch, daß Gundlfingers Besucher wie vom Erdboden verschluckt wurden. Er preschte durchs Gebüsch – ja, da gab es Eingänge im Waldboden und unter den Findlingen: Bunkermündungen, Höhlen, splittersichere Gräben. Das alles mochte für Buben gut sein, die Judenhatz spielten. Was nützte es gegen tödliche Strahlen?
    Nun gleich zurück und alles erledigen. Meldung machen. Ordnungsgemäß. Aber gegen wen? Würde man ihm glauben? Das Ganze kam ihm selber wie ein wüster Traum vor. Doch aus diesem Traum hatte er immerhin etwas sehr Reales in der Hand: das Gutachten der Unterirdischen.
    Die Villa war leer. In der Einfahrt, wo sich Gundlfingers Anhänger gedrängt hatten, lief jetzt ein Kätzchen einem Papierfetzen nach, den der Luftzug dahin und dorthin fegte. Höllriegl sah überall Lautsprecher – Gundlfingers Ansprachen konnten auch in den Nebenräumen angehört werden. Das Pförtnerzimmer war unverschlossen; eine Frau, jene, die vorhin die Besucher eingelassen hatte, trank Kaffee, dem Geruch nach Bliemchenkaffee. Das Kätzchen, die Frau, das dampfende Getränk – ein Idyll. Die Welt des Krieges versank mit dem Miauen der Sirenen.
    In der Gästeliste fand sich unter Donnerstag 10.30 Uhr (kindliche Kurrentschrift) die Eintragung: Ein Herr zum Pendeln hergeschickt aus Berlin. Am Rande hatte jemand ein Fragezeichen dazugemacht. Weiter unten war der Name Südekum mit der Bezeichnung „Musikmacher“ eingeschrieben. Es war knapp vor halb elf.
    „Der Professor erwartet Sie drüben … im Knusperhäuschen. Ich werde schellen.“
    Höllriegl ließ sich als Neuer den Weg zeigen, der zuerst durch einen grauen, verwilderten Park führte. Dahinter öffnete sich der Wald zu einer schmalen, ebenfalls arg vernachlässigten Allee, an deren Ende ein von kümmerlichen Rasenstücken umgebenes einstöckiges Holzhaus stand. Beim Näherkommen entpuppte es sich als eine Spielerei in Schnitzarbeit. Das „Knusperhäuschen“, schwärzlich und verwittert.
    Was für ein Kuriosum! Die den Eingang flankierenden Pfosten hätten indianische Totempfähle sein können, und von den Gesimsen dräute mit gereckten Hälsen das Alptraumgetier gotischer Dome. Die Säulen und Säulchen der Vorderfront waren in mühsamster Schnitzarbeit so ausgenagt, daß sie wie die luftgekühlten Läufe von Schnellfeuerwaffen aussahen.
    Auch in den muffigen, halbdunklen Stuben waren die Wände über und über mit Schnitzereien bedeckt, allerorten stand geschnitzter Krimskrams und verludertes

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