Wenn das Dunkle erwacht (German Edition)
Schachzug, Saige.“ Vielleicht musste er sich mit einem anderen Thema vom Schmerz ablenken. „Mich da einfach so vor dem Hotel stehen zu lassen. Auf der Straße waren viel zu viele Leute, da konnte ich mich gar nicht in die Luft erheben, und überall gab es viel zu viele Gerüche, um deine Spur aufzunehmen. Sehr clever, das muss ich wirklich zugeben. Andererseits, zurück zu der barra zu gehen war so ziemlich das Blödeste, das ich je gehört habe.“
Sie reinigte die Wunde so behutsam wie möglich. „Was ich vorhin sagte, habe ich ganz ernst gemeint, Quinn. Ich war überzeugt, das Richtige zu tun.“ Sie konzentrierte sich auf die Wunde, spürte jedoch seinen durchdringenden Blick im Spiegel. „Sie haben mich übrigens nicht vergewaltigt“, fügte sie leise hinzu, „falls du dich das gefragt haben solltest.“
„Glaub mir“, murmelte er, „das weiß ich selbst.“
„Woher denn?“
„Wenn sie das getan hätten“, entgegnete er scharf, „könntest du jetzt nicht auf deinen Beinen stehen. Womöglich würdest du auch nicht mehr atmen.“
„Wenn du nicht aufpasst, klingst du noch so, als ob dir das etwas ausmachen würde.“
Als Antwort auf diese trockene Bemerkung ließ er lediglich ein Schnauben hören, und sie griff nach einem neuen Tupfer. Als sie sich wieder seinem Rücken zuwandte, erblickte sie eine bleiche Markierung, die seine bronzene Haut verschandelte. Eine dicke Linie, gut zwanzig Zentimeter lang, die zwischen seinen Schulterblättern begann und links neben dem Rückgrat und bis zum unteren Ende des Brustkastens nach unten verlief.
„Ist das eine Narbe?“ Sie fuhr diesen Strich mit einer Fingerspitze entlang, bevor sie wieder in den Spiegel sah. Saige hatte ihn schon ein paarmal an ihm bemerkt, wie auch einen ähnlichen auf der rechten Seite des Rückgrats, aber bisher nie zu fragen gewagt. „Oder hat das etwas mit den Flügeln zu tun?“
Seine Augen und seine Lippen verhärteten sich. „Vernarbtes Gewebe.“
Wie war das wohl passiert, fragte sie sich und fuhr mit den Fingern dorthin, wo der rechte Flügel aus dem Rücken kam, wo sie eine dicke Erhöhung spürte, als ob der Flügel die Haut durchbrochen hätte. „Tut das nicht weh?“ Ein Zittern durchlief seinen Körper, und sie berührte ihn nur ganz leicht, um nicht noch mehr Schmerzen zu verursachen.
Einen Augenblick lang glaubte sie, er würde sich nicht die Mühe machen, ihr zu antworten, doch dann seufzte er: „Nur wenn ich mich verwandele.“
„Wie bist du überhaupt zu diesen Flügeln gekommen?“
„Das geht dich gar nichts an.“ Die Worte klangen so bösartig, dass sie regelrecht zusammenzuckte.
Sie sah wieder auf in den Spiegel und hielt seinem funkelnden Blick stand. „Von mir aus kannst du so gemein sein, wie du willst“, teilte sie mit sanfter Stimme mit. „Das wird mich nicht mehr abschrecken.“
„Ach du lieber Gott“, stöhnte er genervt. „Du bist echt undurchschaubar, Saige. Gestern habe ich mir alle Mühe gegeben, nett zu dir zu sein, dich mit Respekt zu behandeln, und was tust du? Du läufst vor mir davon. Aber kaum behandele ich dich abscheulich, schon kann ich tun, was ich will, du willst mich einfach nicht mehr in Ruhe lassen. Was ist das bloß für ein blödes Spielchen?“
„Ich habe nichts als die Wahrheit gesagt, Quinn. Was ich da getan habe, tut mir sehr leid. Dass ich dich angelogen habe, dass ich weggelaufen bin. Es wird nicht wieder vorkommen.“
„Na klar“, meinte er, gleichsam verbittert und sarkastisch.
„Aber es stimmt“, sagte sie heiser. Wie könnte sie es nur fertigbringen, dass er ihr endlich glaubte? Dass sie zu ihm durchdrang? Sie holte tief Luft, beugte sich vor und drückte einen zarten Kuss auf den Beginn der linken Narbe. Doch kaum berührten ihre Lippen seine Haut, sprang er auf, und sie wurde von der plötzlichen Bewegung zurück gegen die Wand geschleudert. Er wirbelte herum und stieß einen entsetzlichen Fluch aus. „Mach das nie wieder!“
Sie blickte in sein wutverzerrtes Gesicht, ihr Herzschlag dröhnte in ihren Ohren. „Quinn …“
Mit bebender Brust marschierte er aus dem Bad. Saige starrte ihm nach, unschlüssig, was sie tun sollte … wie sie bekommen könnte, was sie so sehr begehrte. Aber sie würde auf keinen Fall aufgeben. Im Augenblick mochte er wütend auf sie sein, aber er war trotzdem der einzige Mann, der jemals solche Gefühle in ihr ausgelöst hatte. Saige wollte ihn. Wollte sich dem düsteren, glühenden Bedürfnis nach Lust
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