Wenn das Dunkle erwacht (German Edition)
wahrscheinlich nicht einmal den ersten knacken können.“
„Und diese Casus, die wussten schon vorher von den Karten, hast du gesagt?“
Saige kämpfte gegen ihre plötzlich aufsteigende Trauer an. „Sie haben Javier so lange gefoltert, bis er ihnen von den Papieren berichtet hat, die Inez in ihrem Safe aufbewahrte. Sie nahmen an, dass es sich dabei um die Karten handelte, und warteten dort auf mich, bis ich zurückkam, um sie zu holen.“
Endlich drehte Quinn sich um und lehnte sich mit der Schulter gegen die Glastür, die Hände weiter in den Hosentaschen. „Hast du eine Ahnung, woher sie über die Karten Bescheid wussten?“
„Nein, nicht die geringste. Ich jedenfalls hatte nie von ihnen gehört, bis ich sie zusammen mit dem ersten Kreuz gefunden habe. Nur wegen dem Code haben die beiden mich nicht sofort umgebracht. Na ja, und außerdem, weil mein Merrick noch nicht vollständig erwacht ist.“ Sie versuchte sich an die exakten Worte zu erinnern. „Sie haben gesagt, es gäbe da einen mächtigen Anführer, der irgendeine Methode gefunden hat, wie er die Casus durch das Tor ihres Gefängnisses geleiten kann. Aber es gäbe auch noch einen anderen Weg. Wenn ein Casus einen vollständig erwachten Merrick frisst, erlangt er dadurch angeblich so große Macht, dass er ganz allein in der Lage ist, einen weiteren Casus aus dem Meridian herauszuholen.“
Er runzelte die Stirn. „Was zum Teufel ist der Meridian?“
„So nennen sie diesen Ort, an den sie verbannt wurden.“
„Sie wollen die Merricks also nicht nur aus Rache und um sich ein Festessen zu leisten?“, fragte er kopfschüttelnd.
„Das nehme ich an. Derjenige, der sich Gregory nannte, sagte außerdem, dass bereits mehrere andere Casus hier wären, und überall auf der ganzen Welt würden die Merricks erwachen.“
„Konntest du sonst noch etwas in Erfahrung bringen?“
„Nur dass der Casus, den Ian getötet hat, Gregorys Bruder gewesen ist.“ Sie blickte in die untergehende Sonne. Was sie ihm als Nächstes erzählen musste, würde ihm große Schmerzen bereiten, das war Saige klar. „Was Templeton angeht, hattest du auch recht. Er war da … ich meine, seine Leiche hat dagelegen. Auf dieser Lichtung.“
„Verflucht.“ Er legte den Kopf in den Nacken und rieb sich das Kinn.
„Als ich fragte, warum sie ihn nicht auch verbrannt haben wie Javier und seine Brüder, da fingen sie plötzlich an, gegeneinander zu kämpfen. Royce war furchtbar wütend auf Gregory. Er sagte, nachdem Gregorys Bruder alles vermasselt hätte, würde jetzt jemand namens Westmore ihre Spuren für sie verwischen. Ich habe keine Ahnung, wer dieser Westmore sein soll, aber Royce sagte, er ist ein Partner von Calder.“
„Und wer soll nun Calder sein, zum Teufel?“
Sie hob die Schultern. „Weiß ich auch nicht, und ich habe mich lieber verpisst, solange ich die Chance dazu hatte, als zu fragen. Auf jeden Fall muss er wichtig sein.“
Es gab keine Worte dafür, wie viel Angst sie in jenem Augenblick gehabt hatte. „Solange ich lebe, werde ich nie wiedergutmachen können, was du da draußen für mich getan hast.“ Sie wagte es endlich, eine Hand auszustrecken und auf seinen bronzenen Oberarm zu legen. Die Muskeln sprengten beinahe den Bund des geborgten T-Shirts. Noch immer hatte er getrocknete Blutflecken auf der Haut, aber sie konnte keine Wunden mehr entdecken. Als sie ihn fragen wollte, wie seine Wunden so schnell heilen konnten, packte er sie plötzlich an der Schulter und schob sie von sich.
„Komm jetzt bloß nicht in meine Nähe, Saige.“
„Warum nicht?“
„Ich bin immer noch so sauer auf dich, dass ich etwas tun könnte, das ich später bedauere.“
„Und ich bin blöd genug, das Risiko einzugehen“, schoss sie zurück. Sie wollte sich nicht länger abweisen lassen.
Immerhin lachte er jetzt und musterte sie dann durch seine dichten Wimpern hindurch. „Du bist völlig durchgeknallt, weißt du das?“
„Ich wollte nur, dass du in Sicherheit bist, Quinn. Du solltest nicht wegen mir in Gefahr geraten.“
Er hob eine Braue. „Und was ist mit dir?“
„Ich kann eigentlich ganz gut auf mich selbst aufpassen.“
„Kein Wunder, dass du deine Brüder in den Wahnsinn treibst“, meinte er. „Mir ist noch nie eine Frau begegnet, die einem schlimmer auf die Nerven gehen kann als du.“
„Ja, na ja, das hab ich in letzter Zeit öfter gehört“, sagte sie trocken.
Quinn schnitt eine Grimasse, aber ob aus Schmerz oder Wut, das konnte sie nicht
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