Wenn das Dunkle erwacht (German Edition)
ausliefern, das in ihr aufstieg. Und doch gleichzeitig ihr Herz vor Verletzungen bewahren.
Du kannst so viel Blödsinn reden, wie du willst, Saige. In Wirklichkeit weißt du es besser. Du bist längst total hinüber. Und je länger du in seiner Gegenwart bleibst, desto schlimmer wird es.
Kann schon sein, aber machte ihr das überhaupt noch etwas aus?
War es am Ende nicht besser, ein gebrochenes Herz zu haben als gar keins?
11. KAPITEL
Royce Friesen hob den Kopf vom blutbedeckten Kissen, als er hörte, wie die Tür vorsichtig geöffnet wurde. Er blinzelte verschlafen und versuchte trotz der höllischen Schmerzen einen klaren Blick zu bekommen. Gregory betrat das Schlafzimmer, in seinen Armen hielt er eine völlig verängstige Frau. Das flackernde Licht der einzigen Kerze neben seiner Matratze erfasste sie nicht, doch als Royce endlich wieder klar sehen konnte, erkannte er sie trotz der Dunkelheit deutlich. Ihre Hände waren auf ihrem Rücken gefesselt, die Überreste eines roten Sommerkleids hingen in Fetzen um ihren üppigen Körper. Mit ihren langen Beinen, den schweren Brüsten und dem dichten, lockigen Haar strahlte sie eine erdhafte Sinnlichkeit aus. Aber es war die unübersehbare Angst in ihren schreckgeweiteten Augen, die ihn unwiderstehlich anzog.
„Was zum Teufel machst du da?“, brachte er krächzend hervor. Die Wunden an seiner Kehle waren noch nicht verheilt.
Auf Gregorys menschlichem Gesicht machte sich langsam ein Lächeln breit, während er mit der Nase das Ohr der Frau liebkoste. „Betrachte die hier als kleines Geschenk, damit du schnell wieder auf die Beine kommst.“
Royce stützte sich auf einen Ellbogen und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, sein natürlicher Killerinstinkt kämpfte mit dem Bewusstsein, dass er es sich nicht erlauben durfte, die Kontrolle zu verlieren. Sein Herz schlug noch, aber er hatte durch die zahllosen Verletzungen ziemlich viel Blut verloren, und jetzt raste die Gier wie eine ausgehungerte Bestie in seinem Körper. Er brauchte diese Frau dringend, aber wenn sein Blutdurst erst einmal geweckt wäre, könnte er davon womöglich überwältigt werden, er wäre dann nicht mehr Herr seiner selbst – und könnte am Ende dasselbe Schicksal erleiden wie Malcolm.
Gregory schüttelte den Kopf, als ob er seine Gedanken lesen könnte, und ließ ein grausames Lachen hören. „Armer Royce. Unbedingt will er brav seine Befehle befolgen, aber eins kapiert er einfach nicht. Der Teufel kann so tun, als wäre er ein Heiliger, aber der Himmel wird ihm trotzdem verschlossen bleiben.“
„In den Himmel will ich gar nicht.“ Royce verzog den Mund. „Bloß nicht in die Hölle kommen. Ich will nicht so enden wie dein dämlicher Bruder.“
„Und du meinst nicht, dass du längst auf dem Weg in die Hölle bist?“, höhnte Gregory. „Falls du immer noch so schwächlich bist, wenn wir uns wieder unseren Feinden stellen müssen, dann werden sie dich genau dahin schicken, in die Hölle.“
Royce traute Gregory DeKreznick nicht über den Weg. Gregory war bloß deshalb auf seine Gesundheit bedacht, weil er ihm bei der Suche nach dieser verdammten Buchanan-Schlampe helfen musste, die ihnen diesmal entwischt war. Sobald sie die in ihrer Gewalt hatten, würde Gregory sich zweifellos gegen ihn stellen. Es war nur zu offensichtlich, dass er Saige für sich selbst wollte, obwohl sie eigentlich für Royce bestimmt war. Andererseits konnte er nicht abstreiten, dass der verfluchte Psychopath nicht unrecht hatte. Zurzeit wäre er in seinem geschwächten Zustand für jeden Gegner, der ebenfalls über übernatürliche Kräfte verfügte, ein leichtes Opfer, und das durfte nicht passieren. Nicht, nachdem er gerade erst in Freiheit war, nach all diesen quälenden Jahren der Gefangenschaft.
Royce sah den Sinn von Calders Regeln durchaus ein, was ihre Ernährung in dieser Welt betraf. Sie durften nicht hemmungslos Menschen umbringen, weil das sehr schnell unerwünschte Aufmerksamkeit erregen würde – aber wenn er nicht schnell wieder zu Kräften käme, würde er sich am Ende noch selbst zerstören, das war auch klar.
Gregory neigte den Kopf zu seinem schluchzenden Opfer herab, als könnte er Royce’ nachlassenden Widerstand spüren. Mit bösartigem Glitzern in den Augen hielt er Royce’ Blick stand, während seine Zunge über die bebende Kehle der Frau glitt, die trotz des Knebels im Mund ein Wimmern von sich gab. Durch die Tränen rann die Schminke in schwarzen Schlieren über ihr
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