Wenn das Dunkle erwacht (German Edition)
nicht verlassen konnte. Sie blieben nicht. Diese Lektionen ihrer Kindheit bestimmten auch ihr Leben als Frau, aber das würde sie Quinn nicht erklären. Sie hatte nicht die geringste Lust, ihm ihr Herz auszuschütten und ihre geheimsten Ängste zu verraten. Dass sie einfach nicht liebenswert war. Dass sie jeden, der ihr etwas bedeutete, früher oder später verlieren würde.
Arme verängstigte kleine Saige. Zu verängstigt, um jemals einen Mann ins Herz zu schließen.
Aber von Liebe war sowieso nicht die Rede. Sondern von Lust und Begehren. Über die atemberaubenden Gefühle, die in ihr aufstiegen, sobald sie in Quinns Nähe kam. Und zum ersten Mal in ihrem Leben wollte sie etwas tun, aus dem einzigen Grund, dass sie es wollte. Jahrelang hatte sie ihr Leben der Suche nach Antworten über die Merricks gewidmet, hatte ganz allein gelebt, sich auf niemanden verlassen außer auf sich selbst. Und dann war dieser Kerl in ihr Leben getreten und hatte Bedürfnisse in ihr geweckt, auf die sie nicht vorbereitet war … nur um sich wieder von ihr abzuwenden, bevor sie kosten konnte. Das machte sie so wütend, dass sie am liebsten geschrien hätte. Und es tat so verdammt weh. Am liebsten hätte sie sich irgendwo verkrochen und geheult.
Mit einem gebrochenen Herzen fertigzuwerden war wohl doch nicht so einfach. Sie konnte ja nicht einmal mit einem angeknacksten Ego umgehen.
„Bloß eine weitere bedeutungslose Vögelei hätte dir also nichts ausgemacht, solange da bloß nichts … was? Eine Bedeutung hat? Erinnerungswürdig ist? Hast du Angst, ich könnte ein Klammeraffe sein?“
„Du hast keine Ahnung, wovon du überhaupt redest“, knurrte er leise.
„Das stimmt, ich weiß es nicht. Kein Mensch weiß, welche finsteren Geheimnisse in Michael Quinns schwarzem Herz und in seinem Schädel lauern. Das gehört zu den ungelösten Rätseln des Universums. Sag die Wahrheit, Quinn. Willst du mich mit alldem nur bestrafen? Mich benutzen? Mich erst scharfmachen und dann stehen lassen?“
„Das glaubst du doch selber nicht.“ Aus den Augenwinkeln warf er ihr einen finsteren Blick zu.
„Ich habe keine Ahnung, was ich glauben soll. Also erklär’s mir bitte.“
Saige kannte seine Haltung mittlerweile, als er die Hände in die Hosentaschen steckte. „Wenn Gefühle im Spiel sind, kann Sex … na ja, für meine Gattung ziemlich kompliziert werden.“
„Wenn man bedenkt, dass Sex eine ziemlich intime Angelegenheit ist“, meinte sie, „würde ich annehmen, dass es immer kompliziert ist.“
Er blickte zu Boden, seine Wangenknochen schienen zu brennen. „Nein, nicht immer.“
Eifersucht machte sich in ihr breit wie ein körperlicher Schmerz. „Das heißt, du schläfst nur mit Frauen, die dir ganz egal sind? Dann ist alles in Ordnung?“
„Genau das heißt es.“ Die Anspannung um seine Augen ließ ihn abgezehrt und müde aussehen. „Meine Bedürfnisse sind … anders.“
„Und bei mir willst du diese Bedürfnisse nicht befriedigen?“, flüsterte sie und versuchte die Tränen zu unterdrücken, die ihr in die Augen stiegen.
Er gab ein hässliches Geräusch von sich und schüttelte den Kopf. „Mit mir zu schlafen würde bedeuten, dass du mehr kriegst, als du haben willst. Du hast keine Ahnung, wie … besitzergreifend ich sein kann. Ich würde viel mehr von dir verlangen, als du jemals geben könntest, Saige.“
„Ich glaube, darum geht es gar nicht. Ich glaube, du hast Angst. Angst davor, dass diese besitzergreifenden Instinkte sich gegen dich selbst wenden könnten, wenn du mich entjungferst. Denn trotz der Tatsache, dass du gern mit mir ins Bett gehen würdest, passt dir der Gedanke gar nicht, an mich gebunden zu sein, nicht wahr, Quinn?“
„Ich will an überhaupt keine Frau gebunden sein, Saige. Mit dir hat das gar nichts zu tun.“
Seine Worte waren wie ein Schlag ins Gesicht. Er hatte die ideale Waffe gefunden, die er gegen sie einsetzen konnte. Abweisung. Es tat unglaublich weh. „Wenn es damit zu tun hat, dass ich weggelaufen bin, dafür habe ich mich schon entschuldigt.“
„Es gibt eine Menge Dinge, die du nicht verstehst. Belassen wir’s dabei.“ Sein glühender Blick durchbohrte sie förmlich. „Du solltest dich anziehen“, sagte er mit belegter Stimme.
„Ich kann nicht fassen, dass ich tatsächlich geglaubt habe, du würdest mich wollen“, murmelte sie vor sich hin und stieg aus dem Bett, die Decke eng an sich gedrückt. Kaum hatte sie zwei Schritte gemacht, da stand er auch schon hinter ihr
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