Wenn das Dunkle erwacht (German Edition)
sie jetzt tun könnte, als sie Quinn hinter sich spürte. „Alles okay?“, fragte er leise … vorsichtig. Wirkte sie auf ihn so zerbrechlich, wie sie sich fühlte – als ob sie bei der geringsten falschen Bewegung in tausend Stücke zerspringen könnte?
„Wo, glaubst du, könnte er sein?“, schluchzte sie und drehte sich zu ihm um.
Er hatte tiefe Sorgenfalten im Gesicht. „Ich wünschte, ich könnte irgendwas anderes sagen, aber wir wissen es einfach nicht. Keiner, mit dem Shrader und Kierland da drin gesprochen haben, hat irgendwen gesehen, auf den Haleys Beschreibung passt. Wie es aussieht, hat er es überhaupt nicht bis hierher geschafft.“
„Ich kann nicht glauben, dass er tot ist. Er sollte doch nur in Deckung bleiben, bis ich hier bin. Ich hätte nie gedacht … ich hätte nie gedacht, sie könnten …“
„Sch“, zischte er plötzlich und hob eine Hand, die absolute Stille einforderte. Er warf Kierland einen bedeutungsvollen Blick zu, der den Kopf hob und schnüffelte wie ein witterndes Tier.
„Was ist los?“ Saige bekam keine Antwort, denn alle drei Männer waren voll auf den Wald konzentriert, als warteten sie darauf, dass gleich etwas aus dem Unterholz brechen könnte.
Saige hielt den Atem an und drückte sich an den Wagen, während ein plötzlich aufkommender Windstoß ihr das Haar ins Gesicht wehte. Der hintere Parkplatz am Waldrand war fast leer, die meisten Gäste parkten vorn am Eingang, weit und breit war kein Mensch zu sehen. Sie hatte keine Ahnung, was hier vor sich ging. Sie ahnte nur, dass es schreckliche Ausmaße annahm.
„Gib ihr die Schlüssel“, flüsterte Quinn, und Kierland drückte ihr ohne Zögern den Autoschlüssel in die zitternden Hände. Quinn ließ den Wald nicht aus den Augen. „Steig in den Wagen, Saige, und wenn irgendwas passiert, rast du sofort los und fährst zurück zu der Mietwagenfirma, wo wir den Ford abgegeben haben. Dort lesen wir dich auf, sobald wir hier die Lage geklärt haben.“
„Was für eine Lage geklärt?“
„Das erkläre ich dir später. Steig in den verdammten Wagen.“
Bevor sie etwas erwidern konnte, sagte Shrader plötzlich: „Riecht eher menschlich.“ Seine Oberlippe verzog sich, darunter kamen lange Schneidezähne zum Vorschein. Sein inneres Biest war ein Tiger, hatte Quinn ihr erzählt. So wie diese Hauer aussahen, konnte sie sich sehr gut vorstellen, wie tödlich dieser Watchman im Kampf sein konnte.
„Könnte das Kollektiv sein“, murmelte Kierland mit einer kehligen Stimme, die er vorher nicht an sich gehabt hatte. Laut Quinn war Kierland Scott ein Werwolf, bestimmt nicht weniger tödlich als die anderen.
„Jedenfalls ist es nur einer“, knurrte Quinn.
„Das ist doch gut, oder nicht?“, keuchte sie und ließ den Schlüssel in der Hosentasche verschwinden.
„Ob Sie’s glauben oder nicht“, meinte Shrader, „manchmal reicht schon einer. Die Soldaten des Kollektivs werden von den härtesten Leuteschindern ausgebildet, die es auf der Welt gibt, und dann werden sie mit Waffen ausgerüstet, gegen die alles, was andere Spezialeinheiten haben, wie Kinderspielzeug anmutet.“ Der tätowierte Watchman langte hinter sich und zog eine Waffe aus dem Gürtel. „Da Sie jetzt eine von uns sind, sollten Sie lieber gleich kapieren, dass man die nie unterschätzen darf.“ Er warf die Waffe Quinn zu, der sie gekonnt auffing, dann beugte Shrader sich vor und fischte ein seltsam aussehendes Messer aus dem Socken.
Kaum hatte Shrader sich wieder aufgerichtet, warf Quinn ihm die Pistole zurück und deutete mit dem Kinn auf die Klinge. „Gib mir das Messer.“
Shrader verzog das Gesicht, reichte es ihm aber. „Du willst immer den ganzen Spaß haben.“
Saige war fassungslos. „Jemanden aufschlitzen, das nennt ihr Spaß?“
„Hängt davon ab, wen man aufschlitzt.“
Anscheinend war Quinns Geduld am Ende. Er machte ein paar Schritte bis zu den ersten Bäumen. „Wir wissen, dass du da bist“, brüllte er. „Komm raus und zeig dein Gesicht.“
Saige hörte ihren Puls in den Ohren rasen, während sie alle in den Wald starrten. Plötzlich kam ein hochgewachsener schlanker Mann mit goldblondem Haar mit erhobenen Händen aus dem Wald, der eine Jeans und ein weißes T-Shirt trug. „Ich hab mich doch gar nicht versteckt“, rief er, die grünen Augen auf Quinn gerichtet. „Es braucht nur seine Zeit, in dem blöden Wald voranzukommen. Außerdem geht mir euer tierisches Ich-kann-einen-Menschen-Wittern enorm auf die
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