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Wenn das Glück dich erwählt

Wenn das Glück dich erwählt

Titel: Wenn das Glück dich erwählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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Geschichten erzählt«, sagte Evangeline und zog sich auch einen Stuhl an den Kamin heran. Sie achtete darauf, einen angemessenen Abstand zu ihm zu halten, obwohl sie viel lieber auf Scullys Schoß gesessen hätte, so wie Abigail zuvor.
    »Ich weiß«, antwortete er und starrte wieder in das Feuer. »Sie hat es mir erzählt vor ein paar Tagen, als wir zusammen in der Scheune waren.«
    »Waren Sie schon einmal verheiratet, Scully? Haben Sie Kinder?« Sie wusste selbst nicht, was sie dazu veranlasste, ihn so etwas Persönliches zu fragen, und hätte sich am liebsten die Zunge dafür abgebissen, weil ihm jetzt klar sein musste, dass sie sich Gedanken über ihn gemacht hatte.
    »Nein, Ma'am«, erwiderte er. »Es gab einmal eine Frau - oder besser gesagt, ein junges Mädchen. Wir hatten vor zu heiraten, aber dann brach der Krieg aus, und ich ging fort, um Soldat zu werden. Während meiner Abwesenheit erkrankte sie an irgendeinem Fieber und starb innerhalb einer Woche, nachdem die Krankheit ausgebrochen war.« Er hielt inne, und Evangeline sah, wie er den Mund verzog, obwohl er ihr nur das Profil zuwandte. »Ich dachte, sie wäre in Sicherheit«, sagte er. »Es war meine eigene Haut, um die ich damals fürchtete.«
    »Es tut mir sehr leid. Das mit Ihrer Verlobten, meine ich.«
    »Es ist lange her.« Sein Ton ließ klar erkennen, dass das Thema damit für ihn beendet war. Er nickte zum Tisch hinüber, wo die hübsche Blechdose noch immer stand. »June-bug hat Ihnen auch selbst gemachte Pralinen mitgeschickt. Das ist ein großes Kompliment, da sie sie außer zu Weihnachten nicht einmal für Jacob herstellt.«
    Evangeline war froh über den Themawechsel und die freundschaftliche Geste einer Frau, die ihr sympathisch war. »Sie sagten, sie hätte Ihnen auch einen Brief für mich gegeben?«
    Er nickte. »Er ist in meiner Jackentasche.«
    Sie stand auf. »Darf ich?«
    Wieder nickte er und richtete den Blick auf das Feuer. Evangeline fragte sich, was er dort so Faszinierendes sehen mochte - Erinnerungen? Versprechen, die er anderen Menschen zu anderen Zeiten gegeben hatte und die noch eingehalten werden mussten?
    Als sie die mehrfach gefalteten Blätter fand, die ein wenig nach Leder und nach June-bugs Parfüm rochen, drehte Evangeline sich um und sah, dass Scully aufgestanden war und ein Buch aus dem Regal neben dem Kamin genommen hatte. Er nahm sich eine der Lampen, murmelte einen flüchtigen Gutenachtgruß und verschwand in seinem Anbau.
    Evangeline kam sich so einsam und verlassen vor, als hätte er wieder seinen Hengst gesattelt und wäre fortgeritten - nach Springwater oder wer-weiß-wohin. Er war gleich nebenan, und trotzdem vermisste sie ihn so sehr, als wäre er viele Meilen weit entfernt.
    Was er genauso gut auch sein könnte, schloss sie bitter und blinzelte, um die Tränen zu verdrängen, die in ihren Augen aufstiegen. June-bugs Brief in der Hand, setzte sie sich wieder an den Kamin, um ihn zu lesen, und verschlang begierig jedes Wort der netten alten Dame. Es machte nichts, dass sie sich noch nicht viel zu sagen hatten, sie und die Herrin der Springwater-Station, da sie sich praktisch noch gar nicht richtig kannten; einen Brief in dieser Einöde zu erhalten war ein Grund zum Feiern, ein seltenes und kostbares Ereignis, aus dem ein Mensch für lange Zeit Kraft schöpfen konnte.
    Als sie alle Seiten gelesen hatte, begann sie noch einmal von vorn und kostete jedes einzelne Wort aus, ganz gleich, wie belanglos es auch sein mochte. Dann faltete sie den Brief zusammen und legte ihn in ihre Reisetruhe zu ihren anderen Besitztümern.
    Der köstliche Duft bratenden Fischs weckte Evangeline am nächsten Morgen. Sie öffnete die Augen und hörte Scully und Abigail am anderen Ende des Hauses plaudern. Die Luft war irgendwie frischer heute, strahlender, fast so, als ob es Frühling wäre.
    Abigail erschien neben dem Bett und reichte Evangeline die Katze. »Du solltest jetzt lieber aufstehen, Mama, wenn du nicht willst, dass ich und Scully den ganzen Fisch allein essen. Hortense bekommt auch welchen.«
    »Scully und ich«, korrigierte Evangeline gewohnheitsmäßig. Hortense schaute sie aus ihren eigenartigen, verschiedenfarbigen Augen an und rieb dann ihre kleine, feuchte Nase an Evangelines Gesicht. Sie lächelte, obwohl sie sich in einer unangenehmen Situation befand. Erstens konnte sie unmöglich aufstehen, solange Scully im Zimmer war, da sie nichts weiter als ein Nachthemd trug. Und zweitens benötigte sie den Nachttopf.

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