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Wenn das Glück dich erwählt

Wenn das Glück dich erwählt

Titel: Wenn das Glück dich erwählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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und wir wollten nicht, dass es versehentlich getreten wird.«
    Etwas veränderte sich in diesem Augenblick in Evangeline, als heilte urplötzlich eine Wunde in ihrer Seele zu. Ein Kloß der Verzweiflung formte sich in ihrer Kehle, und sie musste sich zusammennehmen, um nicht mit beiden Händen ihre Röcke zu raffen und ins Haus zu fliehen, sich dort aufs Bett zu werfen und ihren Tränen freien Lauf zu lassen.
    »Mama?« Abigail, die nach wie vor hoch auf dem Pferderücken saß, klang sehr beunruhigt.
    »Fühlen Sie sich nicht wohl, Ma'am?«, fragte nun auch Scully.
    Evangeline schaute von einem zum anderen und biss sich auf die Lippen.
    Scully beobachtete Evangeline noch immer, als er beide Hände nach Abigail ausstreckte, um sie vom Pferd zu heben. Das Mädchen ließ es geschehen und nahm das Kätzchen, als er es unter seinem Hemd hervorholte und ihr überreichte. Aber während all dieser Zeit ließ Scully Evangeline keine Sekunde aus den Augen.
    »Mama hat Angst vor Pferden«, vertraute Abigail ihm in einem verschwörerischen Wispern an. »Vor langer Zeit hat ihr einmal eins auf den Fuß getreten, und man kann die Stelle noch immer sehen.«
    Scully nickte zu den Worten des kleinen Mädchens, aber Evangeline vermutete, dass er in ihren Augen lesen konnte, was sie dachte, was sie fühlte und was sie wünschte.
    »Mir bleibt noch Zeit, um auf die Jagd zu gehen, bevor die Sonne untergeht«, sagte er schließlich. »Vielleicht kann ich einen Truthahn schießen.«
    Evangelines Augen brannten; tapfer unterdrückte sie die Tränen. Sie durfte nicht so nahe am Wasser bauen, wenn sie für sich und Abigail ein Leben hier im Wilden Westen aufbauen wollte. Sie nickte stumm, weil sie ihrer Stimme nicht traute, und begann die Bettlaken und Decken einzusammeln, die sie auf den Sträuchern ausgelüftet hatte.
    Abigail, die Hortense in ihren Armen hielt, folgte ihr, wenn auch ein wenig widerstrebend, in das Haus. Kurz danach erschien auch Scully, um seine Jacke und das Gewehr zu holen.
    »Kommen Sie allein zurecht?«, fragte er.
    Nie wieder, dachte Evangeline. Sie war noch nie verliebt gewesen, aber sie wusste, dass es mehr als Freundschaft war, was sie für diesen Mann empfand. Und dass diese Liebe, solange sie Big John versprochen war, vollkommen aussichtslos war. »Ja«, log sie. »Wir werden schon zurechtkommen.«
    »Verriegeln Sie die Tür«, riet er und zog seinen Hut tief in die Stirn. »Ich werde rechtzeitig zurück sein, um die Tiere zu versorgen, also überlassen Sie das mir.«
    Evangeline, die wieder nicht zu sprechen wagte, nickte stumm.
    Er war noch keine Stunde fort, als sie in der Ferne einen Schuss vernahm und vor Schreck über das Geräusch zusammenfuhr. Es hätte mich nicht so erschrecken dürfen, dachte sie, als sie beim Kneten des Brotteigs einen Moment lang innehielt, da sie schließlich wusste, dass Scully auf die Jagd gegangen war. Aber Gewehre waren todbringende Waffen; sie hatte gesehen, welch schreckliche Verwundungen sie bei Menschen hinterlassen konnten.
    Er hätte unterwegs dem Wolfsrudel begegnen können - oder einem Banditen oder einer Gruppe Indianer ...
    Sie lief rasch zum Fenster und versuchte abzuschätzen, woher der Schuss gekommen war, aber es war nichts zu sehen. Nur der Wald, der auftauende Schnee und der Schlamm, der sich darunter bildete.
    Abigail, die völlig ungerührt geblieben war, saß auf dem Teppich vor dem Kamin und versuchte, dem Kätzchen eins von Evangelines Taschentüchern als Rock umzubinden. Hortense erwies sich jedoch als ausgesprochen unkooperativ. Nach einer Weile kroch sie in Abigails Schürzentasche und blieb dort, um zu schlafen oder um sich zu verstecken.
    Bei Abenddämmerung begann der Wind noch heftiger zu blasen, rüttelte an den Fensterläden und ließ das Feuer im Kamin aufflackern. Abigail lag jetzt auf der Seite auf dem Teppich und beobachtete die Flammen, während
    Hortense, die inzwischen wieder ihr Versteck verlassen hatte, schwankend auf dem Kopf des kleinen Mädchens stand. Sie erinnerte Evangeline ein wenig an einen Zirkustiger, der versucht, die Balance auf einem Ball zu halten, und trotz ihres zunehmenden Unbehagens konnte sie nicht anders, als zu lächeln.
    Ein leises Pferdewiehern draußen veranlasste Evangeline, rasch wieder zum Fenster zurückzueilen. Und da war Scully - ohne Hut und tief über den Hals seines Hengstes gebeugt. Mit einem erschrockenen Aufschrei lief Evangeline zur Tür und löste den schweren Riegel. Der starke Wind stieß die Tür auf

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