Wenn das Glück dich erwählt
ein Schwall Blut aus seiner neuen Wunde strömte. Nachdem Evangeline die Spitze des Pfeils abgebrochen hatte, zog sie auch den Schaft heraus und schleuderte ihn beiseite.
Vorsorglich hatte sie vorher schon von ihrem Unterrock einen Streifen Stoff abgerissen und ihn zu einer Art Kompresse zusammengelegt, die sie jetzt auf die frische Wunde drückte, in der Hoffnung, den Blutverlust damit ein bisschen zu verringern. Sie half ihm aufzustehen, und er lachte, als sie der Kuh versprach, zurückzukommen, sobald sie dazu in der Lage war.
Eve, dachte sie dabei absurderweise. Er hat mich Eve genannt.
6
A bigail schrie auf un d schlug beide Hände vor den Mund, als sie Scully, schwer auf die Schulter ihrer Mutter gestützt, das Haus betreten sah. Evangelines provisorischer Druckverband hatte die Blutung in seiner Schulter nicht gestoppt, und selbst im schwachen Schein der Petroleumlampen sah Scully fahl und grau wie eine Leiche aus. Seine Kleider waren blutdurchtränkt.
Evangeline wusste, dass sie nicht in der Lage sein würde, Scully bis in sein Bett zu bringen; sie brach jetzt schon fast unter der Last seines Gewichts zusammen. Deshalb schleppte sie ihn zu dem Bett, das sie und Abigail normalerweise teilten, und ließ ihn so sanft wie möglich auf die Matratze sinken. Aber kaum berührte sein Kopf das Kissen, schwanden ihm die Sinne. Während sie begann, ihm vorsichtig die blutdurchtränkte Jacke und das Hemd darunter auszuziehen, sprach sie ruhig, aber mit ganz ungewohnter Strenge zu ihrer Tochter. Ihre Worte waren sehr sorgfältig ausgewählt und formuliert, um keinen Raum für Missverständnisse zu lassen, da sie weder genügend Zeit noch Kraft besaß, um sie zu wiederholen. »Abigail, du wirst mir jetzt aufmerksam zuhören. Scully ist verwundet worden - ein Pfeil durchbohrte seine rechte Schulter. Ich glaube, dass ich ihm helfen kann, aber dazu werde ich deine Hilfe brauchen. Würdest du mir bitte eine Schüssel heißes Wasser aus dem Behälter dort im Herd bringen - sei vorsichtig, verbrenn dich nicht - und eins der Laken, die wir heute ausgelüftet haben?«
Scully stöhnte; sanft strich sie ihm das Haar aus der Stirn. Hinter ihr hob Abigail den schweren Deckel des Warm— Wasserreservoirs im Herd und füllte eine Schüssel. Schweigend brachte sie sie ihrer Mutter, wobei sie nur ganz wenig verschüttete, und ging dann sofort wieder, um das Bettlaken zu holen.
»Bessie muht, Mama«, wandte Abigail schüchtern ein. »Es klingt, als ob sie Schmerzen hätte.«
Evangeline säuberte bereits Scullys Wunden, um sich einen besseren Eindruck von ihnen zu verschaffen. »Ich weiß, Liebes. Ich kann es auch hören. Sie will gemolken werden. Aber ich muss mich zuerst um Scully kümmern. Könntest du mir jetzt bitte eine Lampe bringen?«
»Wird Scully sterben?«, fragte Abigail, während sie die Lampe holte.
Evangeline richtete sich aus ihrer gebückten Haltung auf, um sie anzuzünden, und stellte sie dann auf das Fensterbrett über dem Bett. Dann erst wandte sie sich zu ihrer Tochter um, die aus großen, furchtsamen Augen zu ihr aufschaute. »Ich weiß es nicht«, sagte sie. Das Kind zu belügen wäre ungerecht und unvernünftig gewesen. »Ich werde tun, was ich kann, um ihm zu helfen. Das ist alles, was ich dir versprechen kann. Du wirst deinen Teil dazu beitragen, indem du Hortense beschäftigst und mir etwas bringst, wenn ich darum bitte, wie du es vorhin schon getan hast.«
Abigail nickte. Sie hielt das zappelnde kleine Kätzchen fest an ihre schmale Brust gedrückt. »Ich habe Angst, Mama«, sagte sie mit leiser Stimme.
»Ich auch«, gestand Evangeline, bevor sie sich wieder zu Scully umwandte. »In der Speisekammer steht eine Flasche Whiskey im Regal, im zweiten Fach, wenn ich mich recht entsinne. Weißt du, was Whiskey ist? Er sieht aus wie Tee. Den brauche ich als Nächstes.«
Das Kind kehrte wenige Minuten später schon zurück mit einer Flasche, die zu drei Vierteln noch gefüllt war. Evangeline war beunruhigt gewesen, als sie während ihrer Inspektion der Speisekammer den Alkohol gefunden hatte, und hatte sogar bereits erwogen, die Flasche ins Klosett zu leeren, für den Fall, dass sich herausstellen sollte, dass Big John ein Trinker war. Aber jetzt war sie froh, dass sie es nicht getan hatte. Nachdem sie einmal tief durchgeatmet hatte, goss sie ein wenig von der scharfen Flüssigkeit auf Scullys Schulter, und er kam vorübergehend wieder zu sich und stöhnte laut vor Schmerzen.
»Drehen Sie sich um«, befahl
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