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Wenn das Glück dich erwählt

Wenn das Glück dich erwählt

Titel: Wenn das Glück dich erwählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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Scully hätte wahrscheinlich eins der Tiere oder vielleicht sogar beide erlegt, weil der Winter vor der Tür stand und Wild bereits jetzt schon knapp war, aber Evangeline wäre nie auf die Idee gekommen.
    Die Rehe, die zu spüren schienen, dass ihnen keine Gefahr drohte, blieben noch einen Moment witternd stehen, bevor sie sich abwandten und im Wald verschwanden.
    Lächelnd ging Evangeline über den steinigen Untergrund zu einer Stelle, wo das kristallklare Wasser über einen flachen Felsen sprudelte, um dort den ersten Eimer aufzufüllen. Dann füllte sie auch den zweiten. Aber diese beiden Eimer reichten nicht, sodass sie noch mehrmals zur Quelle zurückgehen musste, und als sie endlich genug Wasser geholt hatte, um das Reservoir im Herd zu füllen, und Kaffeewasser aufgesetzt hatte, muhte Bessie so jämmerlich, dass Evangeline es nicht mehr mit anhören konnte. Sie ging in die Scheune, um sie zu melken. Abigail röstete Brot für sich und Scully, als Evangeline endlich alle Tiere gefüttert und versorgt hatte und mit eiskalten Händen und gerötetem Gesicht ins Haus zurückkam.
    »Sieh mal, Mama!«, rief Abigail und zeigte ihr mehrere Scheiben Brot auf einem Teller, die nur an den Kanten leicht verbrannt waren. »Ich habe gekocht!«
    »Ja, das hast du«, erwiderte Evangeline, und Scully, der auf seiner gesunden Schulter auf der Seite lag, zwinkerte ihr verstohlen zu.
    Evangeline stellte den Eimer mit der Milch weg und legte Scullys Waffengurt und ihren Umhang ab. Sie würde noch einmal hinausgehen müssen, um die Eier einzusammeln und Feuerholz zu spalten, aber die Aussicht war alles andere als verlockend, da ihre Zehen und Finger ihr jetzt schon vor Kälte abzufallen drohten.
    »Geht es den Pferden gut?«, fragte Scully. Sie konnte sehen, dass er die Frage lange unterdrückt hatte und sie ihm selbst jetzt gegen seinen Willen entschlüpft war.
    Sie warf ihm einen wehmütigen Blick zu. »Ich wünschte, Ihnen ginge es genauso gut«, erwiderte sie und trat mit ausgestreckten Händen vor den Herd. Sie aufzuwärmen schmerzte; sie hatte vorgehabt, sich auf der langen Reise nach Westen ein neues Paar Fausthandschuhe zu stricken, aber die Luft im Zug war zu schmutzig und verraucht gewesen für eine solche Arbeit, die Fahrt in den Postkutschen viel zu holprig, um dabei zu stricken. Wenigstens hatte Abigail verschiedene Paare, alle aus dicker Wolle. Das war das Wichtigste.
    »Ich kann nicht ewig hier im Bett bleiben, Evangeline«, bemerkte Scully.
    »Und ob Sie das können!«, widersprach sie.
    »Er muss vielleicht mal«, warf ihre Tochter ein.
    Darüber lachte Scully, und nach einem flüchtigen Moment der Verlegenheit stimmte Evangeline in sein Lachen ein. »Das muss ich wirklich«, gab er zu.
    »Dann werden Sie den Nachttopf benutzen müssen«, klärte Evangeline ihn auf.
    »Nicht, solange ich noch atmen kann«, versetzte Scully.
    Sie gab auf. Wenn dieser starrsinnige Mann glaubte, es bis zum Klosett zu schaffen, ohne hinzufallen, war das nicht ihre Sache. Nun ja, das stimmte vielleicht nicht ganz. Denn schließlich würde sie die Arbeit damit haben, ihn wieder hereinzuschleppen, falls er stürzte. »Tun Sie, was Sie nicht lassen können«, erwiderte sie nicht allzu freundlich.
    »Ich brauche meine Hosen«, erklärte er.
    Evangeline überlegte kurz, ob sie sich einfach weigern sollte, ihm die Kleider ans Bett zu bringen, sah dann aber ein, wie sinnlos das gewesen wäre, und ging in den Anbau, um die Sachen zu holen. Abigail fand seine Stiefel, und sie und Evangeline kehrten ihm diskret den Rücken zu, während Scully sich langsam anzog. Zumindest teilweise.
    Er legte seine blutverschmierte Jacke mit dem aufschlussreichen Loch an der rechten Schulter um und ging mit vorsichtigen Schritten zum Klosett hinaus. Als er nach schier endlos langer Zeit zurückkehrte - Evangeline hatte sich sehr zusammennehmen müssen, um nicht hinauszugehen und ihn zu holen -, war er kreidebleich und so stark geschwächt, dass er sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Er legte sich aufs Bett, mit Stiefeln und allem anderen, und versank sofort in einen tiefen, unruhigen Schlaf.
    Sehr behutsam zog Evangeline ihm seine Stiefel aus und stellte sie an den Kamin.
    Nachdem sie sich eine Weile am warmen Feuer ausgeruht und eine belebende Tasse Kaffee getrunken hatte, stand Evangeline seufzend wieder auf. Sie hatte die Eier noch nicht eingesammelt, obwohl sie die Hühner bereits gefüttert und ihnen frisches Wasser gegeben hatte, und da war auch

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