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Wenn das Glück dich erwählt

Wenn das Glück dich erwählt

Titel: Wenn das Glück dich erwählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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Liege aus und erlaubte Evangeline, ihn zuzudecken.
    Danach schürte sie das Feuer, bis es wieder richtig brannte. »Wie fühlen Sie sich?«, fragte sie. Sie kehrte ihm den Rücken zu, und obwohl sie wusste, dass es sich nicht schickte, wenn er sie in ihrem Nachthemd sah, konnte sie im Augenblick nicht viel dagegen tun.
    »Wie jemand, dem man zuerst die Haut abgerissen und ihn dann wie einen Baumstamm einen steinigen Hang hinuntergerollt hat«, antwortete Scully. Als sie sich nach ihm umsah, richtete er sich auf und stützte sich auf den gesunden Arm. »Das Beste wäre, wenn ich wieder in der Scheune schliefe«, sagte er. »Sie brauchen mich hier nicht zu Ihrem Schutz.«
    Sie wusste, dass es ein Kompliment sein sollte, und war sich auch bewusst darüber, dass es stimmte, was er sagte, zum größten Teil zumindest. Aber bei dem Gedanken, dass er aus dem kleinen Nebenzimmer in die Scheune ziehen könnte, erfasste sie ein Gefühl der Schwermut, das so intensiv und heftig war, dass ihr beinahe schwindlig wurde. »Sie bleiben hier, bis Sie wieder stark genug sind, um sich um sich selbst zu kümmern«, entgegnete sie entschieden. »Ich habe mir doch nicht all die Mühe gemacht, Sie am Leben zu erhalten, damit Sie sich zu Tode frieren ... in irgendeinem Stall dort draußen!«
    »Es ist nicht kalt in der Scheune, die Tiere geben sehr viel Wärme ab«, versetzte er. »Mir scheint, dass die Chancen zu erfrieren hier drinnen weitaus größer sind.«
    Evangeline ließ den kleinen Stich unbeantwortet und ging zum Herd hinüber, um auch dort das Feuer zu beleben. »Psst«, sagte sie nur. »Sie wecken meine Tochter.«
    Es gab nicht viel, was Abigail hätte wecken können, bevor sie selbst bereit war, aufzuwachen, aber das wusste Scully nicht, und Evangeline hatte nicht vor, es ihm zu sagen. Sie holte frische Unterwäsche aus der Truhe, zusammen mit ihrem einzigen anderen Unterrock, der ihr geblieben war, nahm dann ihr gutes blaues Kleid von einem Haken an der Wand und ging mit den Sachen in den Anbau. Es war der einzige Raum, der ihr eine gewisse Ungestörtheit bot, seit sie Scullys Bett vor den Kamin geschoben hatte.
    Sie zog sich hastig an, da der kleine Raum genauso kalt war wie der Rest des Hauses, ging dann hinaus und setzte sich auf die Bettkante, um ihre Halbstiefel anzuziehen und die Schnürsenkel in den Ösen zu befestigen. Als das geschehen war, nahm sie zwei Eimer und ging damit zur Tür, wo sie noch einmal stehen blieb, um ihren Umhang umzulegen und den Riegel zu entfernen.
    »Wohin wollen Sie gehen?«, fragte Scully. Er versuchte schon wieder aufzustehen, aber diesmal gelang es ihm einfach nicht.
    »Zur Quelle«, erwiderte Evangeline. »Achten Sie darauf, sich nicht zu viel zu bewegen, Scully. Sie wollen doch sicher nicht, dass Ihre Wunden wieder aufplatzen? Wir haben keine sauberen Laken mehr, und die Verbände gehen auch zur Neige, ganz zu schweigen von dem Whiskey.«
    »Die Quelle ist auf der anderen Seite der Bäume, die hinter der Scheune stehen«, sagte Scully. »Viele Tiere trinken dort, einschließlich der Wölfe. Sie könnten sogar einem Bären begegnen.«
    Evangelines Magen zog sich zusammen, aber sie schob das Kinn vor und ließ sich nichts von ihrer Furcht anmerken. »Dann nehme ich eben Ihren Revolver mit«, erklärte sie und nahm ihn von dem Brett über den Kleiderhaken, wo sie ihn in der Nacht hingelegt hatte, bevor sie begonnen hatte, Scully zu entkleiden. Wieder war sie verblüfft über das Gewicht der Waffe. Resolut befestigte sie den Gurt um ihre Taille und steckte den Revolver in das Halfter. Doch obwohl sie das letzte Loch benutzt hatte, um ihn zu schließen, rutschte er ihr fast über die Hüften.
    »Evangeline«, knurrte Scully.
    »Seien Sie still«, erwiderte sie ungehalten, öffnete die Tür, hob ihre Eimer auf und trat ins Freie.
    Die Erde war über Nacht wieder gefroren und knirschte bei jedem ihrer Schritte, und am Horizont ballten sich dunkle Wolken zusammen, die auf Schnee hindeuteten. Bessie muhte bereits klagend in der Scheune.
    Evangeline war seltsam leicht ums Herz, obwohl sie natürlich auch eine Beklommenheit verspürte bei ihrem ersten Ausflug zu der Quelle, mit nichts anderem zu ihrem Schutz als Scullys Waffe, die schwer an ihrer Hüfte hing. Sie war nicht einmal sicher, ob sie damit umgehen konnte, aber sie bei sich zu haben, empfand sie als Beruhigung.
    Zwei Rehe tranken an der Quelle, und Evangeline blieb reglos stehen und sah, wie sie die Köpfe hoben und ihre Ohren aufstellten.

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