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Wenn das Glück dich erwählt

Wenn das Glück dich erwählt

Titel: Wenn das Glück dich erwählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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noch das Brennholz, das gespalten werden musste.
    »Wirst du während meiner Abwesenheit nach Scully sehen?«, bat sie Abigail und bemühte sich, so ernst wie möglich zu erscheinen. »Ich brauche jemanden, auf den ich mich verlassen kann.« Als ob sie eine andere Möglichkeit besäße.
    Abigail schien direkt vor Evangelines Augen noch einige Zentimeter mehr zu wachsen. »Ich werde nicht von seiner Seite weichen«, versprach sie ihrer Mutter feierlich. »Aber ich glaube, Hortense muss auch hinaus.« Das Kätzchen miaute an der Tür. »Die Wölfe werden doch dich und Hortense nicht fressen, Mama?«
    Evangeline küsste ihre Tochter auf die Stirn. »Nein, Liebling. Wenn ich zurückkomme, werden wir eine von Mrs. McCaffreys köstlichen Pralinen essen. Was hältst du davon?«
    Abigail war sehr dafür, und als Evangeline das Haus verließ, um ihre morgendliche Arbeit zu beenden - zumindest bis zur zweiten Runde kurz vor Abenddämmerung -, saß ihre Tochter auf dem Boden vor dem Herd, das Kinn auf beide Hände gestützt und den aufmerksamen, ernsten Blick auf Scullys Bett gerichtet.

7
    W enn Big John Keating im Frühjahr wiederkam, so nahm Evangeline sich während ihres fünften oder sechsten Gangs zur Quelle vor, würde sie ihm als Erstes eine Schaufel in die Hand drücken und verlangen, dass er einen Brunnen in der Nähe des Hauses aushob.
    Als sie keuchend die letzten beiden Eimer ins Haus schleppte, sah sie, dass Abigail einen der Stühle zum Kamin geschoben hatte und jetzt dicht neben Scullys Liege saß. Sie las ihm aus einem Buch mit griechischen Legenden vor und ließ ihre kleinen Füße baumeln, um überschüssige Energie loszuwerden. Hortense, die nie weit entfernt von ihrer jungen Herrin war, falls sie nicht gerade draußen war, um ihre Geschäfte zu erledigen, versuchte vergeblich, mit ihrer Pfote einen Fuß zu schnappen.
    Scully warf Evangeline einen entschuldigenden Blick zu, als sie Wasserkessel füllte und sie auf den Herd stellte. Abigail las flüssig und ohne auch nur ein einziges Mal zu stocken weiter, und ihre Worte ließen prächtige Bilder von Apollo und seinem feurigen Wagen, der über den Himmel jagte, in dem kleinen Haus erstehen.
    »Erstaunlich«, bemerkte Scully, als das Kind des Lesens schließlich müde wurde und mit Hortense hinausging, um draußen vor der Tür zu spielen. »Haben Sie ihr beigebracht, auf diese Art zu lesen?«
    Evangeline war mit Töpfen, Kesseln und den Bettlaken beschäftigt, die sie heute noch waschen und kochen wollte, falls es möglich war. Scully hatte so stark geblutet, dass sie nicht einmal sicher war, ob solch drastische Maßnahmen sie noch retten würden, aber sie musste es versuchen. »Nein«, antwortete sie und war sich der losen Strähnen bewusst, die ihr an Stirn und Wangen klebten, weil ihr Haar schon feucht war von dem Wasserdampf, der aus den Kesseln aufstieg. »Das war Mr. Keating. Er sagte immer, er habe sie nur das Alphabet gelehrt, und sie hätte ganz von allein begonnen, die Buchstaben zu Worten zusammenzufügen.«
    Scully, der auf allen Kissen dieses Hauses ruhte, was insgesamt nur drei waren, verschränkte die Hände im Nacken. »Sie nannten Ihren Gatten >Mr. Keating    Evangeline errötete und schob es auf die Hitze, die der Herd ausstrahlte, und den Wasserdampf. Sie erwiderte Scullys Blick nicht, aber sie spürte ihn, durch ihr Kleid und ihre Unterwäsche, wie eine zärtliche Berührung ihrer nackten Haut. »Im Stillen war er für mich immer >Charles<«, sagte sie. »Aber wenn ich mit ihm sprach, dann war er >Mr. Keating<, ja.«
    Scully schwieg sehr lange; so lange, dass Evangeline zu hoffen begann, das Thema ihrer Ehe sei für ihn damit beendet. Aber sie hatte sich getäuscht.
    »Er muss um einiges älter gewesen sein als Sie, wenn er Big Johns Cousin war.«
    Evangeline schluckte, warf Scully einen Blick zu, den sie sofort bereute, und wandte sich wieder ab von ihm. »Dreißig Jahre«, gab sie zu. Es kam ihr jetzt wie ein beträchtlicher Altersunterschied vor, obwohl solche Ehen durchaus üblich waren, da sehr viele junge Frauen im Kindbett starben und so mancher heiratsfähige junge Mann im Krieg gefallen war. Es kam vor, dass Männer mehrfach heirateten im Laufe ihres Lebens, und da war es ganz natürlich, dass ihre Ehefrauen immer jünger wurden mit der Zeit.
    »Das hat Sie nicht gestört?«
    Es war eine freimütige Frage, die Evangeline erröten ließ. Sie wünschte, Abigail käme aus dem Hof herein, um ihr als Ablenkung zu dienen, aber sie

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