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Wenn das Glück dich erwählt

Wenn das Glück dich erwählt

Titel: Wenn das Glück dich erwählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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Es wurde Zeit, dass sie aufhörte, über altes Unrecht nachzudenken, und stattdessen ihre Energie darauf verwandte, sich ein neues Leben hier in Montana aufzubauen.
    Als sie die Stimme, weit aus der Ferne, zum ersten Mal vernahm, hielt sie sie noch für einen Trick des Winds. Dann, als sie die Augen zusammenkniff , um in der grellen Nachmittagssonne besser sehen zu können, erblickte sie einen geschlossenen Wagen, der durch ein Birkenwäldchen holperte und von einem schlammbespritzten grauen Maulesel gezogen wurde.
    »Hallo, junge Frau!«, rief der Mann, der auf dem Kutschbock saß, und hielt mit einer Hand seinen Hut fest, den der Wind ihm abzureißen drohte, als er seinen Wagen auf sie zulenkte. »Einen wunderschönen guten Tag!«, wünschte er ihr lächelnd. Sie sah, dass er ziemlich korpulent war, als er näher kam, und dass er eine große, mit roten Äderchen bedeckte Nase hatte und dichtes weißes Haar, das in wirren Strähnen unter seinem Hut hervorschaute. Sein Gesicht war rund und rot, und selbst aus einer Entfernung von fast zehn Metern war sie verblüfft über die Heiterkeit, die seine blauen Augen ausstrahlten. »Calvin T. Murdoch, zu Ihren Diensten, Lady. Ich handele mit Lebensmitteln und diversen anderen Artikeln. Ich bin ganz schön weit draußen hier, nicht wahr?« Er hielt inne und lachte aus vollem Hals. »Aber ich schätze, das gilt wohl für uns beide, was?«
    Evangeline betrachtete ihn nur staunend.
    »Ich kann sehen, dass Sie sich fragen, woher dieser Calvin T. Murdoch wohl kommen mag!«, sagte Calvin T. Murdoch und hob einen seiner dicken Finger zur Betonung. Er trug eine Weste aus gestreifter Seide, die an den Knöpfen über seinem umfangreichen Bauch zu platzen drohte, und einen Wollrock, der wie die Weste schon bessere Zeiten gesehen hatte.
    Aber geht das nicht uns allen so?, dachte Evangeline.
    »Nun gut«, fuhr er fort, als sie nichts erwiderte und sich sogar im Stillen fragte, ob sie nicht lieber Scullys Revolver holen sollte. »Die Wahrheit ist, dass ich im letzten Schneesturm festsaß und drei Tage in der Gesellschaft von Injuns verbrachte, denen ich begegnet war. Ist Ihr Mann zu Hause, Ma'am?«
    Endlich fand Evangeline die Stimme wieder. »Ja«, sagte sie. »Er ist drinnen.«
    »Ich könnte eine Tasse Kaffee vertragen - falls Sie so freundlich wären, mich dazu einzuladen«, sagte er.
    Evangeline zögerte, spürte dann Scully hinter sich und drehte sich um, um zu ihm aufzuschauen. Er hatte eine Hose und Hosenträger angezogen, trug aber immer noch sein langärmeliges Unterhemd, unter dessen dickem Baumwollstoff sich die Verbände an der rechten Schulter abzeichneten.
    »Sie sind eingeladen«, bestätigte er gut gelaunt. »Wie ist es Ihnen ergangen, Calvin?«
    Calvin schlang die Zügel um die Wagenbremse und stieg mit einer angesichts seiner Korpulenz verblüffenden Beweglichkeit vom hohen Kutschbock seines Wagens. Sein Hinterteil, das er Evangeline und Scully beim Absteigen zuwandte, war massiv wie zwei enorme Schinken und drohte den abgetragenen Wollstoff seiner Hose zu zerreißen.
    »Gut ist's mir ergangen, Scully«, erwiderte er. »Ich kann nicht klagen.« Sich zu Evangeline umwendend, tippte er sich lächelnd an den Hut. »Wie geht es Ihnen, Ma'am? Gut, dass der alte Scully endlich eine Frau gefunden hat. Ich freue mich, Sie kennen zu lernen.«
    Evangeline öffnete schon den Mund, um Murdochs Irrtum zu berichtigen - es schien ihr nicht mehr nötig, einen Ehemann zu präsentieren, da der Besucher sich als harmloser Hausierer herausgestellt hatte -, als Scully plötzlich ihre Hand ergriff, sie an die Lippen führte und die wunden Finger küsste.
    »Evangeline ist eine bestellte Braut«, sagte er so stolz, als hätte er sie selber kommen lassen. »Und ich muss sagen, dass ich sehr zufrieden mit ihr bin.«
    »Das muss aber ziemlich spannend gewesen sein für eine Weile«, sagte der Hausierer und lachte dann wieder, als sei er über seinen eigenen Witz entzückt. »Auf beiden Seiten, meine ich.«
    »Ich bin nicht...«, begann Evangeline errötend und begierig, ihren guten Namen zu verteidigen, aber Scully ließ sie wieder nicht zu Wort kommen.
    »Kommen Sie herein, Calvin. Meine Frau kocht guten Kaffee. Und im Ofen brät ein Truthahn. Sie bleiben doch zum Abendessen?«
    Murdoch legte Hut und Mantel ab, während Evangeline Scully hinter dem Rücken des Besuchers mit einem ärgerlichen Blick bedachte.
    »Ich habe nichts dagegen«, erwiderte Murdoch. »Man bekommt hier draußen ja so

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