Wenn das Glück dich erwählt
erwähnen wird? Und dass sie wissen, dass es eine Lüge ist.«
»Machen Sie sich deswegen keine Sorgen«, erwiderte Scully unbekümmert, während er sich die letzte Scheibe Toast nahm. Anscheinend störte es ihn nicht, dass sie so kalt wie der Hüttenboden war, bevor das Feuer morgens angezündet wurde. »Ich erkläre es ihnen, wenn ich das nächste Mal nach Springwater hinüberreite.«
Seine Unbekümmertheit erbitterte Evangeline. Als Mann machte er sich natürlich keine Sorgen, aber für sie konnte sich die ganze Sache zu einem peinlichen Skandal ausweiten, der ihren guten Ruf vielleicht für immer ruinieren und zur Folge haben würde, dass auch Abigails Zukunft gefährdet war. Ganz gleich, was für geheime Bedenken sie hinsichtlich ihrer bevorstehenden Heirat hegen mochte - falls Big John von ihr enttäuscht war und sich weigerte, die Trauung zu vollziehen, wenn er im Frühjahr heimkehrte, würden sie und ihre Tochter auf der Straße stehen. Und die Folgen davon waren gar nicht auszudenken.
»Sie werden es ihnen erklären?«, erwiderte Evangeline erbost. »Es könnten Monate vergehen, bis Sie das nächste Mal bis Springwater durchkommen, das haben Sie mir selbst gesagt. Und bis dahin könnte mein guter Ruf einen nicht wieder gutzumachenden Schaden erlitten haben.«
Scully schien eher überrascht zu sein als eingeschnappt. »Jacob und Miss June-bug kennen mich gut genug, um zu wissen, dass ich eine anständige Frau nie in den Dreck ziehen würde - vor allem keine, die meinem besten Freund gehört - und Big John weiß es genauso gut.«
Evangeline ließ bei der Erwähnung ihres zukünftigen Ehemanns die Schultern hängen, und Tränen brannten hinter ihren Lidern, als sie zu Scully aufschaute. »Wo werden Sie hingehen, wenn Sie von hier fortgehen?«, fragte sie.
»Wenn Big John zurück ist, meine ich.« Sie hoffte, dass er jetzt sagen würde, er habe es sich anders überlegt, aber das erwies sich schnell als reines Wunschdenken.
Er wandte den Blick ab. »Ich weiß es nicht«, erwiderte er nach langem Schweigen. Dann holte er seine Stiefel und zog sie an, nahm seine blutbefleckte Schaffelljacke und seinen zweiten Hut - den anderen hatte er bei der folgenschweren Auseinandersetzung über den Truthahn verloren - und ging hinaus, um nach seinem Hengst und den anderen Tieren zu sehen.
Evangeline beschäftigte sich damit, die Überreste des Frühstücks fortzuräumen, wusch das Geschirr ab und fegte die Böden in der Hütte. Obwohl es draußen bitterkalt war, schien an einem blauen Himmel warm die Sonne, und die ungewohnte Helligkeit im Haus stimmte Evangeline schon wieder etwas zuversichtlicher.
Eine gute Stunde später stand Abigail wieder auf, zog sich am Küchenherd an und bedrängte Evangeline so lange, sie hinausgehen und im Schnee spielen zu lassen, bis ihre Mutter endlich nachgab. Sie hatte die Indianer noch nicht vergessen, und erst recht die Wölfe nicht, aber sie konnten sich schließlich nicht ihr ganzes Leben lang in diesem kleinen Haus verkriechen. Ein Kind brauchte frische Luft und Sonne und Bewegung - genau wie alle anderen Menschen.
Schallendes Gelächter draußen, sowohl Scullys wie auch Abigails, lockte Evangeline ans nächste Fenster, und lächelnd sah sie, dass sie sich mit Schneebällen bewarfen. Scully achtete darauf, sich regelmäßig treffen zu lassen, fiel ihr mit einem weiteren frohen Lächeln auf, und obwohl auch er selbst nur selten sein Ziel verfehlte, schien er bemüht, die Kleine nicht zu hart zu treffen.
Evangelines Kehle wurde eng, als sie den beiden zusah. Charles Keating war ein guter Vater und ein anständiger Mann gewesen, aber er war fast sechzig, als Abigail zur Welt gekommen war. Aus diesem Grund hatte das Kind, außer Evangeline natürlich, nie jemanden gehabt, mit dem es derart ausgelassen spielen konnte.
Etwa eine halbe Stunde später kamen sie herein, nass vom Schnee und noch immer lachend. Abigail und Hortense hockten sich zum Spielen auf den Teppich vor dem Kamin, aber Scully blieb an der Tür stehen und ließ sich sehr viel Zeit mit dem Ausziehen seiner Jacke, während er nachdenklich zu Evangeline hinübersah. Sie hätte schwören mögen, dass sie wusste, was er dachte - dass ihr Kind einen jugendlichen Vater wie ihn selbst benötigte. Und dass sie niemals einen haben würde.
Rasch wandte Evangeline sich ab und tat, als hätte sie am Herd zu tun. Big John würde Abigails Stiefvater sein, und damit basta. Sie konnte nur hoffen, dass er Kinder wirklich mochte, so
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