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Wenn das Glück dich erwählt

Wenn das Glück dich erwählt

Titel: Wenn das Glück dich erwählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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du, so schnell du kannst, zur Hütte. Egal, was auch passiert, du darfst nicht stehen bleiben und dich auch nicht umsehen.«
    »Nein, Mama«, widersprach Abigail. »Ich lasse dich nicht hier allein. Er wird dich fressen.«
    »Wenn du nicht tust, was ich dir sage, wird er auch dich auffressen. Bitte, Abigail. Das ist nicht der richtige Moment für deinen Eigensinn.«
    Abigail trat einen Schritt auf den Wolf zu, bevor Evange li ne sie daran hindern konnte, und obwohl sie noch immer die Hand des Kindes hielt, wagte sie nicht, es zurückzuziehen, weil jede abrupte Bewegung ihre prekäre Lage noch verschlimmern konnte. Mit angehaltenem Atem wartete sie ab. Der Wolf knurrte wieder und duckte sich ein wenig. Für Evangeline sah es so aus, als machte er sich bereit, sie anzugreifen.
    »Du gehst jetzt weg und lässt meine Mama und mich in Ruhe«, informierte Abigail ihn streng. »Wir wissen, dass du hungrig bist, aber das ist kein Grund, sich so schlecht zu benehmen!«
    In jeder anderen Situation hätte Evange li ne laut gelacht über die Verwegenheit ihrer Tochter. Aber jetzt war sie so verängstigt, dass sie nicht einmal zu atmen wagte. Ihr war schwindlig; der Himmel schien sich zu bewegen und sich langsam zu drehen.
    »Geh jetzt!«, schrie Abigail den Wolf an. »Verschwinde hier!«
    Eine Träne rann über Evangelines Wange. »Sei still«, gelang es ihr zu flüstern. »Sei um Himmels willen still.«
    Einen Moment lang sah es so aus, als ob der Wolf tatsächlich Abigails Befehl gehorchen, sich abwenden und beschämt im Wald verschwinden wolle. Doch dann setzte er ganz urplötzlich zum Sprung an und schoss durch die Luft, als ob er fliegen könne. Evangeline hörte ein zischendes Geräusch, und das Tier stürzte mitten in seinem langen, anmutigen Sprung und landete blutüberströmt im weißen Schnee.
    Sie waren gerettet, sie und ihre Abigail, aber es war nicht Scully, der ihnen zu Hilfe gekommen war. Aus dem struppigen Fell des Tieres ragte ein langer, schmaler Pfeil auf, dessen Ende mit schmutzigen Federn besetzt war.
    Evange li ne zog ihre Tochter in die Arme und drückte sie verzweifelt an sich; sie war noch immer so verängstigt, dass sie zu keinem vernünftigen Gedanken fähig war. Abigail zappelte und wehrte sich.
    »Sieh mal, Mama«, sagte sie und deutete auf den Waldrand. »Es ist der Indianer.«
    »I-Indianer?«, echote Evangeline verständnislos, während sie noch immer den erlegten Wolf anstarrte, den Pfeil, der in ihm steckte, und die dunkelroten Rinnsale, die über das glanzlose schwarze Fell des Tieres liefen. Bilder von gefallenen Soldaten in blutdurchtränkten Uniformen erstanden wieder vor ihr auf und vermischten sich mit Erinnerungen an Scully, wie er blutend auf seinem Pferd gesessen hatte ... Aber dann spürte sie den feuchten Schnee an ihren Knien, und die Kälte belebte sie wieder ein wenig. »Indianer?«
    Abigail deutete noch immer auf den Wald. Evange li ne schaute in die Richtung, in die sie zeigte, und sah den einzelnen Indianer, der zweifellos ein Krieger war, auf dem Hügel zu ihrer Linken, halb hinter einem Baum verborgen. Er saß jetzt auf einem gefleckten Pferd, obwohl er das letzte Mal, als sie ihn gesehen hatte, zu Fuß gekommen war, um um Nahrung zu bitten. Er war derselbe Mann, der sie damals so furchtbar erschreckt hatte, als er in der Scheunentür erschienen war, während sie die Kuh dort melkte.
    Als er sah, dass Evange li ne zu ihm hinüberschaute, hob er in einer Art stummem Gruß mit einer Hand den Bogen, wendete sein Pferd und ritt davon, noch tiefer in den Wald hinein.
    »Bei Jupiter und Zeus!«, rief Abigail entzückt. »Er war fantastisch!«
    Evangeline richtete sich zitternd auf, den Blick nun wieder auf den toten Wolf gerichtet, nachdem ihr galanter Retter in der Not verschwunden war. »Komm«, sagte sie und versuchte, ihre Tochter mitzuziehen. »Wir gehen nach Hause.«
    »Und die Eimer, Mama? Das Wasser ist verschüttet.«
    Es gab Momente, in denen Abigails praktische Veranlagung nicht gerade ihre beste Eigenschaft zu sein schien. Aber sie hatte natürlich Recht. Sie konnten die Eimer nicht zurücklassen - sie hatten keine anderen, außer dem Metalleimer, der für die Milch benutzt wurde. Und das Wasserreservoir im Herd war leer, genau wie der kleine Kessel, der das Trinkwasser enthielt.
    Mit zitternden Knien und gegen ihre Übelkeit ankämpfend, drehte Evange li ne sich um und hob die Eimer auf, um sie wieder aufzufüllen. Als das geschehen war, machten sie und Abigail sich auf

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