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Wenn das Glück dich erwählt

Wenn das Glück dich erwählt

Titel: Wenn das Glück dich erwählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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Scully fort, und wir werden ihn nie wiedersehen!«
    Evangeline wiegte ihre Tochter zärtlich auf dem Schoß, wie sie es früher immer getan hatte, wenn Abigail aus einem bösen Traum erwacht war. Diesmal konnte sie ihr jedoch nicht sagen, es werde alles wieder gut, selbst wenn es vermutlich sogar stimmte. Sie wäre erstickt an ihren Worten, weil nach Scullys Fortgehen nichts mehr gut sein würde, weder für sie selbst noch für Abigail. Er würde ein großes Loch in ihrem Leben hinterlassen, das war nicht zu bestreiten. Es war an der Zeit, sich mit der harten Wahrheit abzufinden. »Ich fürchte, das ist es, was geschehen wird«, sagte sie. »Ich werde Scully auch vermissen. Sehr sogar. Aber es ist richtig, dass er fortgeht. Du wirst dies alles sehr viel besser verstehen, wenn du erwachsen bist.«
    »Das sagst du immer«, warf Abigail ihr vor und versteifte sich ein wenig. Sie war ein drahtiges kleines Ding, stark, flink und behände wie ein Otter. Evangeline würde ewig dankbar sein für diese Eigenschaften, selbst wenn sie mit einem Eigensinn gepaart waren, der sich vermutlich als Abigails größtes Missgeschick e r weisen würde. »Du sagst mir immer, dass ich die Dinge erst verstehen werde, wenn ich erwachsen bin. Aber das werde ich nie verstehen. Niemals. « Sie spricht, als ob sie sich in dieser Angelegenheit bereits entschieden hätte, dachte Evangeline bekümmert, und vermutlich hatte sie das auch. »Scully hat dich geküsst, Mama. Ich habe es gesehen!«
    Es war nur ein kleines Haus; es hätte Evangeline nicht überraschen dürfen. Aber das tat es, und sie genierte sich. Angenommen, Abigail erzählte Big John von diesem Kuss, wenn er im Frühjahr heimkehrte? Oder sie erwähnte jene Nacht, in der Scully ihr Bett geteilt hatte, weil der Hausierer zu Besuch gewesen war?
    »Abigail«, sagte sie mit fester Stimme. »Hör mir zu. Scully und ich wollten nicht, dass das geschah. Ich hatte furchtbare Angst, nachdem wir den Wolf gesehen hatten, und Scully versuchte, mich zu trösten. Der Kuss war ein ... ein Unfall.«
    »Wie kann ein Kuss ein Unfall sein?«, versetzte Abigail. Ihre Arme waren noch immer vor der Brust verschränkt, aber etwas von ihrem Ärger begann allmählich zu verblassen.
    »Das kommt vor zwischen Erwachsenen.«
    »Wie wenn man hinfällt und sich das Knie aufschlägt? Oder sich am Herd verbrennt?«
    Evangeline lächelte. »Ja«, sagte sie. »Es ließe sich damit vergleichen.«
    »Aber du hast Papa nie so geküsst ... oder Mott. Oder Mr. Murdoch oder Jacob.«
    »Abigail, das ist genug.« Sie hob ihre Tochter von ihrem Schoß und stellte sie auf die Beine. »Lass uns jetzt das Abendessen zubereiten, ja? Danach können wir ein bisschen nähen, wenn du willst.«
    Abigail verzog das Gesicht. »Ich mag das Nähen nicht. Es ist langweilig, die ganze Zeit still dazusitzen.«
    »Beim Lesen musst du auch stillsitzen«, hielt Evangeline ihr vor. »Und das tust du doch sehr gern.«
    »Lesen ist etwas anderes. Da brauchen die Gedanken wenigstens nicht stillzusitzen, sondern können herumschweifen, so viel sie wollen.«
    Evange li ne gab es auf. Es war schwierig, wenn nicht gar unmög li ch, eine Diskussion mit Abigail zu gewinnen. Sie hatte auf alles eine Antwort - und im Allgemeinen sogar eine gute. »Na schön«, sagte sie. »Dann möchtest du deine Gedanken vielleicht lieber auf eine kleine Reise durch deine Lektionen schicken. Du hast gestern zwei verpasst.«
    Beim Abendessen, das sonst stets von einem lebhaften Gespräch begleitet wurde, sagte heute keiner etwas. Abigail warf Evangeline und Scully während der gesamten Mahlzeit immer wieder verstohlene Blicke zu, als versuchte sie, die Geheimnisse des Erwachsenseins zu ergründen. Sie wirkte jetzt nicht mehr aufsässig, sondern verwirrt, was Evange li ne jedoch als mindestens ebenso beunruhigend empfand wie ihren vorangegangenen Eigensinn. Alles wäre natürlich sehr viel einfacher gewesen, wenn Abigails Gefühle nicht teilweise gerechtfertigt gewesen wären.
    Scully verzehrte seine abendliche Mahlzeit aus gebratenem Kaninchen und gekochten Rüben schweigend, aber mit gewohntem Appetit, während Evangeline keinen Bissen herunterkriegen konnte. Sie gab es schließlich auf und verließ den Tisch, um das Geschirr zu spülen.
    »Lass nur, ich mache das schon«, sagte Scully mit ungewöhnlich rauer, schroffer Stimme. Er scheint irgendetwas bei mir wieder gutmachen zu wollen, dachte Evange li ne. Aber was? Die Begegnung mit dem Wolf? Den Kuss? Die Tatsache, dass

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