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Wenn das Glück dich erwählt

Wenn das Glück dich erwählt

Titel: Wenn das Glück dich erwählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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den Heimweg, zurück zu ihrem warmen und relativ sicheren Haus. Sie schlugen einen großen Bogen um den toten Wolf, als sie an ihm vorbeikamen.

10
    S cully wusste sofort, dass etwas geschehen war, als er Evange li ne langsam auf die Hütte zukommen sah, in jeder Hand einen der schweren Wassereimer. Abigail ging neben ihr. Vielleicht lag es an der Art, wie sie den Kopf hielt, oder wie sie die Schultern hängen ließ, als wäre sie zu Tode erschöpft und innerlich zerbrochen und hielte sich nur noch mit allerletzter Kraft aufrecht. Ihr Rock war vorn total durchnässt, obwohl das nicht unbedingt etwas zu bedeuten haben musste. Es kam oft genug vor, dass man das Gleichgewicht verlor, wenn man sich an der Quelle vorbeugte, um einen Eimer einzutauchen.
    Scully schwang sich vom Rücken des Pferdes, vielleicht ein Dutzend Meter von ihr und Abigail entfernt, und ließ die Zügel baumeln, weil er es so eilig hatte, sie zu erreichen. »Was ist geschehen?«, fragte er, während er ihr rasch die Eimer abnahm.
    Ihr Kinn war jetzt trotzig vorgeschoben, aber es zitterte so heftig, dass sie fast nicht sprechen konnte. »O Scully...«, begann sie und verstummte dann wieder, weil sie offenbar befürchtete, in Tränen auszubrechen, wenn sie weitersprach.
    »Wir sind beinahe von einem Wolf gefressen worden«, berichtete Abigail vergnügt. »Ein Indianer hat ihn mit einem Pfeil getötet.« Sie runzelte die Stirn. »Du glaubst doch nicht, dass es derselbe war, der auf dich geschossen hat, Scully?«
    Er spürte, wie sich ihm vor Schreck der Magen umdrehte. »Mein Gott«, murmelte er betroffen.
    In der Hütte schloss er die Tür und stellte rasch die Eimer ab. Abigail machte sich auf die Suche nach Hortense und dem Holzpferd, das Jacob ihr geschenkt hatte, um ihren beiden Spielkameraden ihre aufregende Geschichte zu erzählen.
    Scully nahm Evangelines Hand und zog sie in den Anbau, wo er rasch die Hände um ihre Schultern legte. Sie war leichenblass und offenbar nicht weit davon entfernt, das Bewusstsein zu verlieren. »Eve«, sagte er leise. Und dann, wider jegliche Vernunft, zog er sie in seine Arme. Er konnte gar nicht anders, wenn er sich vorstellte, wie sie diesem Wolf gegenübergestanden hatte, vor Angst halb außer sich und verzweifelt bemüht, ihr Kind zu retten. »Eve.«
    Sie hielt sich an ihm fest, drückte das Gesicht an seine Schulter und spürte, wie sie sich beruhigte. O Gott, wie gut das tat!
    Er legte den Kopf zurück, um ihr in die Augen sehen zu können. »Du kannst ruhig weinen«, sagte er rau. »Es gibt kein Gesetz, das es verbietet.«
    Sie schniefte und versuchte auch jetzt noch, sich zusammenzunehmen. Er liebte sie - liebte sie - sowohl für den Versuch wie für ihr Unvermögen. »Ich hatte solche Angst«, wisperte sie und hielt sich nach wie vor mit beiden Händen an seiner Jacke fest. »O Scully, ich war ganz sicher, dass wir sterben würden ...«
    »Es ist vorbei«, beruhigte er sie sanft. Er hätte sie jetzt freigeben sollen, ihr, Big John und auch sich selbst zuliebe, aber er konnte es nicht. Er konnte es einfach nicht.
    Langsam schüttelte sie den Kopf, und ihre Augen glitzerten von den Tränen, die sie so tapfer unterdrückte. »Es ist noch nicht vorbei«, hielt sie dagegen. »So wird es immer sein. Mein ganzes Leben lang. Wölfe. Indianer. Ständig in Angst zu leben ...«
    »Nein«, fiel Scully ihr ins Wort. »Es gibt auch positive Dinge hier, Eve. Denk an den Ausblick von der Weide auf dem Hügel. Denk an den frisch gefallenen Schnee, der in der Sonne glitzert, und daran, wie die Luft manchmal zu flimmern scheint, weil sie so sauber ist, und wie man tagelang durch die Gegend reisen kann, ohne einer anderen Menschenseele zu begegnen.«
    Sie war wunderschön, sogar mit ihrer roten Nasenspitze und den geschwollenen Augen; viel schöner noch als all das, was Scully ihr gerade erst beschrieben hatte. Aber sie schüttelte erneut den Kopf. »Nein, Scully. Das sind Dinge, die dich glücklich machen. Ich muss mich sicher fühlen können. Ich muss manchmal andere Menschen sehen und an belebteren Plätzen sein. Ich brauche ...« Sie brach ab und schaute ihn auf eine Weise an, die ihm alle Kraft aus seinen Knien raubte und ihn praktisch jedes Prinzip vergessen Heß, das er bis dahin je beachtet hatte. »Halt mich ganz fest in deinen Armen, Scully. Es ist mir egal, ob es richtig oder falsch ist; halt mich nur fest.«
    Er nahm an, dass es ihre Verwundbarkeit war, die ihn dazu trieb, zu tun, was er dann tat, oder vielleicht

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