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Wenn das Herz im Kopf schlägt

Wenn das Herz im Kopf schlägt

Titel: Wenn das Herz im Kopf schlägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechtild Borrmann
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Schürze passend zur Weste bis zum Boden. Dazu eine rote Fliege und das schwarze Haar nach hinten gegelt wie ein glänzender Fahrradhelm. Nein, kein Clown. Ein Frosch.
    Er kommt – sein Tablett hin und her schwingend, als seien die Karaffe und das Glas darauf festgeklebt – an den Tisch zurück und gießt ein. Ein Schritt zurück und wieder eine angedeutete Verbeugung, die den Rücken nicht belastet.
    Er wartet. Er will nicht fragen, was es sein darf. Herausfordernd sieht er Böhm an.
    Der nickt ihm freundlich zu.
    »Haben Sie gewählt?« Diesmal gelingt der Spagat nicht. Seine Stimme knarrt vor Unmut.
    »Ich habe mich für den Steinbutt auf Käsetortellini entschieden!«
    Der Frosch vergisst die Verbeugung. Er greift nach der Speisekarte und verschwindet. Einen Augenblick später ist er wieder in seine Zeitschrift vertieft.
    Böhm starrt auf die blütenweiße Tischdecke. Hier war er in den letzten zwei Jahren oft mit Brigitte. Sie waren mit den Fahrrädern herausgefahren und hatten vorzüglich geschlemmt. Mit vollen Mägen war der Weg zurück anstrengend gewesen.
    Zwei Tage. Zwei Tage wartet er jetzt schon.
    Er greift nach seinem Handy und schreibt:
Bin im Casa Roma! Warte auf dich!
Dann sucht er Brigittes Nummer und schickt die Nachricht ab.
    Auf seine letzte SMS hat sie nicht reagiert. Sie könnte ihm doch wenigstens ein Lebenszeichen senden, ihm kurz schreiben, dass sie nicht mit einem anderen Mann zusammen ist.
    Wieder fällt ihm Gerhard Lüders ein. Was hat der Pastor gesagt?
    Der Kellner stellt den Teller genau auf die Stelle der Tischdecke, die Böhm anstarrt. Erschrocken fährt er zusammen.
    »Steinbutt auf Tortellini, der Herr! Guten Appetit!« Wie ein Sieger geht er zur Theke zurück.
    Das Essen duftet köstlich nach Käse und Estragon.
    Der hat damit nichts zu tun, hat Rudenau gesagt. Und dann noch: Herr Lüders wünscht keine weiteren Besuche von mir. Er hat gesagt: Gott sorgt nicht für Gerechtigkeit. Das müsse er selbst in die Hand nehmen.
    Böhm teilt ein kleines Stück Heilbutt mit dem Fischmesser ab. Es zergeht auf der Zunge.
    Er würde morgen, wenn er aus Köln zurück ist, noch mal mit Gerhard Lüders sprechen.

Dienstag, 13. März 2001
- 35 -
    Das Handy auf seinem Nachttisch schellt um 3.40 Uhr. Er ist sofort hellwach. Brigitte! Er sieht auf die Uhr, versucht sich zu orientieren. Auf dem Display des Telefons steht:
Zentrale
.
    »Böhm!« Seine Stimme ist ohne Kraft.
    »Beek! Peter, ein Leichenfund in Merklen.«
    Er schlägt die Decke zurück, hockt sich auf die Bettkante und setzt die Brille auf. »Was?« Beeks Worte bahnen sich nur nach und nach ihren Weg in den Teil seines Gehirns, in dem sie verstanden werden.
    »Lembach und Bongartz sind unterwegs. Soll ich Steeg und van Oss auch anrufen?«
    »Ja, natürlich. Wo genau?«
    Böhm läuft ins Badezimmer, klemmt das Handy zwischen Ohr und Schulter und zieht seine Hose an.
    »Sommerweg. Unterhalb vom Behrenshof!«
    »Wer?«
    »Nach bisherigen Erkenntnissen Lüders. Ludwig Lüders!«
    »Bin unterwegs.«
    Er geht zurück ins Schlafzimmer, zieht einen langärmeligen Rollkragenpullover an und schnappt sich im Flur Lederjacke und Autoschlüssel.
    Lüders!
    Draußen empfängt ihn ein erstaunlich kalter Morgen. Wieso haben wir damit nicht gerechnet? Er startet den Wagen und fährt rückwärts aus der Einfahrt. Wieso sind wir die ganze Zeit davon ausgegangen, dass es sich um eine einmalige Tat handelt? Er fährt sich mit der Hand über das unrasierte Kinn. Ein Geräusch entsteht, wie feines Sandpapier auf Holz. Spätestens seit ich die Behrensgeschichte kenne, hätte ich eine solche Möglichkeit in Betracht ziehen müssen. Auf der Landstraße tritt er das Gaspedal durch. So wie der Kondensstreifen eines Flugzeugs eine Linie am Himmel hinterlässt, zieht sich die Straße schnurgerade durch die Felder und Wiesen.
    Was hast du vor, verdammt?
    Die Windschutzscheibe beschlägt von innen. Er stellt das Gebläse auf volle Kraft. Eine Zeitung! Er greift zu seinem Handy und ruft Steeg an.
    »Achim, wo bist du jetzt?«
    »Mann, ich bin unterwegs, aber ich muss schließlich erst einmal quer durch die Stadt.«
    »So mein ich das nicht. Ich bin auch noch nicht da. Kommst du noch an einer offenen Tankstelle vorbei?«
    »Jetzt sag bloß, du bist ohne Benzin liegen geblieben?«
    »Nein, kauf eine Zeitung. Kauf die Tageszeitung!«
    Böhm hat Merklen erreicht. Am Fuß des Bildstockes brennen rote Grablichter. Er biegt links ab in den Sommerweg. Unterhalb des Behrenshofs

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