Wenn Das Leben Dir Eine Zitrone Gibt, Frag Nach Salz Und Tequila
vorschlug, setzte ich, ohne mit der Wimper zu zucken, um – und setzte noch einen drauf. Kurz eine Brücke? Kein Problem! Das Bein hinter den Kopf? Sicher doch! Kinkerlitzchen für einen Ex-Ballett-Hasen wie mich. Ob ich noch Energie für einen weiteren Film hätte, wollte Norbert nach ein paar Stunden wissen. Aber klar! Norbert war völlig aus dem Häuschen: »Sonya, du bist super!« Und ich fragte verwundert: »Ich? Wieso das denn?«
Norbert war hin und weg von meiner »Körperbeherrschung«, meiner »Beweglichkeit« und meiner »Disziplin vor der Kamera«. Das waren alles Tugenden, die mir in meiner Ballettzeit in Fleisch und Blut übergegangen und für mich ganz selbstverständlich waren. Außerdem war Norbert total von den Socken, dass ich, die blutige Anfängerin, nicht einen Funken kamerascheu war. Für mich war so eine Linse Pillepalle – ich war schließlich bühnenerfahren. Natürlich ist es etwas anderes, vor 600 Leuten in der Oper zu tanzen, als vor der Kamera zu stehen. Nämlich, dass man 599 Zuschauer weniger hat, vor denen man sich theoretisch blamieren kann.
So begeistert Norbert von alledem war, so begeistert war ich, dass jemand davon tatsächlich begeistert sein konnte. Jetzt entpuppte sich das, was ich bei Madame Constantiné aus dem Effeff gelernt hatte und was dort vollkommen selbstverständlich war, plötzlich als eine gar nicht so selbstverständliche Stärke! Und was noch viel besser war: Die Sache machte mir Spaß! Ganz egal, was dabei rauskam, ich hatte immerhin einen klasse Nachmittag verbracht.
I’m too sexy …
Einige Wochen später klingelte bei uns das Telefon – zufälligerweise ging ich an den Apparat. Am anderen Ende meldete sich – welch Überraschung – die Modelagentur. Der Laden, der mir meine hängenden Mundwinkel bescheinigt hatte. An der Strippe hing allerdings nicht die Bookerin, sondern die Besitzerin: »Hallo, äh, hab ich die Sonya am Apparat?« Himmel, was kam jetzt? Es gab eigentlich nur eine Erklärung: Die Agentur wollte ihr Archiv entrümpeln und mir meine verhunzten Bilder zurückgeben.
»Du, Sonya, also wenn du Lust hast, hab ich am Dienstag einen Job für dich. Ist allerdings nicht so gut bezahlt, ist nur ein halber Tag, darum weiß ich nicht, ob du interessiert bist …«
Hört, hört! Plötzlich wollte man mir einen Job anbieten!
»Nicht gut bezahlt«, das war natürlich relativ. Im Stillen kalkulierte ich: Wenn es mindestens acht Mark die Stunde gab – das bekam ich im Jeansladen – war ich dabei. Aber statt nun knallhart die Honorarverhandlungen einzuläuten, machte sich mein Sprachzentrum mal wieder selbstständig, und ich hörte mich dusselige Kuh sagen: »Klar, wenn das geht, ich bin allerdings erst fünfzehn.« Wie doof konnte man sein? Ich hätte mir am liebsten die Zunge abgebissen. Das musste ich der Tante doch nicht auf die Nase binden. Schnell schickte ich hinterher: »... aber schon fast sechzehn!!!« Als wenn das jetzt noch was reißen konnte. Super, Sonya, ganz super.
Mein Alter schien die Dame nicht zu stören, denn sie nannte mir jetzt eine Summe, die mich kurz sprachlos werden ließ. »Nicht so gut bezahlt«, das hieß: 450 Mark. Für vier Stunden. Bis ich so viel mit meinen Stunden im Jeansladen zusammenhatte, dauerte es vier Wochen. Ein schier unfassbarer Geldregen.
»Sonya, hallo? Bist du noch da?«
»Ja, äh, bin noch da. Entschuldigung, da war gerade eine Störung in der Leitung. Was hatten Sie noch mal gesagt, wie hoch war das Honorar? Das hab ich gerade nicht richtig gehört.«
Vielleicht hatte ich ja was missverstanden.
»450. Ich weiß, das ist nicht viel, aber das ist ja auch dein erster Job für uns und …«
»Doch, doch, ist schon okay … Also, äh, beim ersten Auftrag!«
Puh! Bloß nicht zeigen, dass ich gerade kurz vorm Hyperventilieren stand vor Begeisterung. Das schien ja nach oben hin noch offen zu sein, und das wollte ich mir nicht sofort mit falscher Genügsamkeit versauen. Der Job: Werbeaufnahmen für die Zeitschriftenanzeige eines bekannten Kaffeeherstellers. Noch bekannter als die Kaffeefirma kam mir allerdings die Adresse vor, die mir die Agenturchefin jetzt nannte: Es war nämlich die von Norbert! Der Mann war ja einfach unglaublich! Das hätte ich mir gleich denken können, natürlich steckte er dahinter!!! Kaum hatte ich aufgelegt, hielt ich sofort wieder den Hörer in der Hand. »Hi, Norbert, hier ist die Sonya. Vielen, vielen Dank! Das ist ja klasse, dass du dich so für mich
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