Wenn Das Leben Dir Eine Zitrone Gibt, Frag Nach Salz Und Tequila
einsetzt! Woher wusstest du eigentlich, dass ich die Fotos bei der Agentur habe? Hat Mama dir das gesteckt?«
Norbert wirkte ehrlich erstaunt. »Sonya, ich freu mich, dass du dich freust. Aber ich habe nicht den leisesten Schimmer, wovon du redest.«
»Na, von Dienstag!«
»Was ist denn am Dienstag?«
Respekt, der Mann war ja ganz ausgebufft, jedenfalls spielte er den Unwissenden sehr überzeugend. Ich erklärte: »Du musst gar nicht so unschuldig tun. Stichwort ›Braune Bohne‹!«
»Braune Bohne???«
In der Leitung schwebten jede Menge Fragezeichen.
»Mensch, Norbert, die Kaffeesache! Da hast du doch deine Finger im Spiel, oder?«
Weiter Stille. Dann plötzlich ein lautes: »Aaaaaaah. Jetzt weiß ich endlich, wovon du redest.«
»Genau.« sagte ich. »Das war super von dir, vielen Dank!«
Norbert räusperte sich und meinte: »Da haben die sich dich ausgesucht? Guter Geschmack! Da sehen wir uns, da freu ich mich – aber gemacht hab ich nix. Ich bin ja nicht der Kunde. Da werden den Kaffeefritzen einfach deine Bilder gefallen haben!«
Ich war baff! Norbert hatte wirklich nichts damit zu tun. Ich wusste jetzt also nicht nur, wohin es ging – ich hatte auch gleich noch die Bestätigung, dass meine Siggi-Fotos wohl doch nicht ganz so übel waren, wie die überhebliche Booker-Tusnelda mir mit ihrem »Mundwinkel«-Kommentar hatte weismachen wollen. Strike!
Und jetzt alle: Lobhudeln!
So stand ich also viel eher als erwartet wieder vor Norberts Kamera. Mit dabei im Studio: der Kunde und zwei Laien-Models, natürlich älter als ich, die auch für den Job gebucht waren. Allerdings hatte ich den anderen gegenüber einen entscheidenden Vorsprung: Ich hatte schon mal mit Norbert gearbeitet und war entsprechend locker-flockig entspannt. Nicht nur das, ich fühlte mich professionell und sicher wie ein alter Hase – das kam ganz offensichtlich auch so rüber. Das wundersame Resultat des Nachmittags: Die Kaffeemenschen waren so begeistert von mir, dass sie mich gleich wieder buchten. Für einen Fernsehspot!
»Meine« Agenturleute hatten natürlich keine Ahnung, dass ich Norbert kannte, und wussten auch nichts von meinem ersten Probe-Shooting. Darum kam Norbert jetzt auf die glorreiche Idee, meine junge Karriere noch ein bisschen anzufeuern. »Weißte was, Sonya? Den Damen in deiner Agentur erzähl ich jetzt mal, was du für ein tolles Model bist!«
Gesagt, angerufen. Ich stand daneben, als Norbert den Ladys bescheinigte, welchen Glücksgriff sie mit mir getan hatten. Diese ultimative Lobhudelei aller Beteiligten nach nur einem einzigen Job ließ meinen Marktwert in der Agentur von Minuswerten durch die Decke schießen – die nächsten Aufträge waren mir schon sicher. Welch eine Genugtuung! Unnötig zu erwähnen, dass niemals wieder von hängenden Mundwinkeln die Rede war. Allerdings hielt sich meine Solidarität in Grenzen, und so ließ ich mich ziemlich bald von einer anderen Agentur abwerben – die mich fortan fleißig in der Weltgeschichte herumschickte.
Das Leben ist wundervoll. Es gibt Augenblicke, da möchte man sterben. Aber dann geschieht etwas Neues, und man glaubt, man sei im Himmel.
EDITH PIAF
Was zeigt uns diese kleine Geschichte aus meinem Leben?
Mehrere Dinge:
Wer Neues wagt, dem kommt der Zufall zu Hilfe – oft auf völlig ungeahnten Umwegen.
Und:
Jede Krise ist einmal zu Ende!
Von nun an jobbte ich also nachmittags nur noch selten im Jeansladen, dafür immer häufiger als Model. Ich habe mal wieder gut reden? Ist doch alles bloß glücklicher Zufall? Stimmt! Aus einer gewissen Perspektive war alles, was mir passiert ist, Zufall. Dass ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort war – im Jeansladen, im »Omen«, in der U-Bahn. Und natürlich hätte auch alles ganz anders kommen können. Vollkommen richtig beobachtet. Und wäre ich 1,50 Meter groß gewesen und nicht zufällig mit Gardemaß, Arsch und Möpsen gesegnet, hätte mich auch niemand als Model rekrutiert. Aber dann hätte ich eben meinen Traum vom Bolschoi Theater weiterverfolgt – oder hätte etwas ganz anderes gemacht.
Ich bin davon überzeugt:
Gelegenheiten und Zufälle kreuzen nicht nur ein Mal unseren Weg. Wenn man die eine Chance verpasst, kann man eben die nächste nutzen. Im Vertrauen: Das sollte man dann auch tun. Wichtig sind vor allem nur zwei Dinge: 1.) immer in Bewegung bleiben und dabei 2.) die Augen für Gelegenheiten offen halten. Wenn man diese »Grundregeln« beherzigt,
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