Wenn dein dunkles Herz mich ruft (German Edition)
werdenden Haare zu einem blonden Pferdeschwanz zusammen und kramte nach dem Schlüssel für ihr Fahrradschloss. Wo war der denn schon wieder? Unwillig zupfte sie ihren grünen Minirock zurecht, zog an der schwarzen Strumpfhose und knöpfte ihre Prada-Jacke zu.
Als der Regen langsam stärker wurde, legte sie den Kopf in den Nacken und starrte die grauen Wolken an. „Hättet ihr nicht noch zehn Minuten warten können?“
Im Laufen suchte sie weiter nach ihrem Schlüssel, stolperte über eine leere Plastikflasche, die über den Boden rollte, und ließ ihre Tasche fallen. Es platschte, als sie in einer Pfütze landete und einer ihrer Pfennigabsätze knackte bedrohlich. „Das ist echt nicht mein Tag“, murmelte sie und blies sich eine feuchte Franse ihres Ponys aus dem Gesicht. Als sie wieder aufstand, trat jemand vor sie. Sabrina schrie erschrocken auf, lachte kurz hysterisch, als sie die Gestalt erkannte, und sah sie schließlich wütend an. „Mann, hast du mich erschreckt. Was willst du hier? Ich habe dir gesagt, dass ich das nicht länger kann. Finde dich damit ab.“
Der Mann schob sich die Kapuze tiefer ins Gesicht und schwieg.
„Ich muss jetzt gehen. Lass mich durch.“
„Nein. Du gehst nirgendwo hin. Nie wieder. Ich werde dafür sorgen, dass du keine Spielchen mehr spielst. Mit mir nicht und auch mit sonst niemandem.“
„Spinnst du? Mach Platz.“ Sabrina wollte sich an ihm vorbeischieben, doch eine eiskalte Faust schloss sich um ihr Handgelenk. „Lass los!“
„Du hättest das nicht tun dürfen.“
„Drohst du mir jetzt etwa? Du musst echt lernen, ein Nein zu akzeptieren. So läuft das nicht.“
Ein schnappendes Geräusch ließ sie zusammenzucken. Etwas Silbernes blitzte im Licht der Straßenlaterne auf. Sabrina riss sich los und wich zurück, bis sie den Gitterzaun in ihrem Rücken spürte. Unter ihr rauschten vereinzelte Autos vorbei. Wenn sie jetzt losrennen würde, könnte sie dann …?
„Es ist besser so“, sagte er und trat auf sie zu, das geöffnete Taschenmesser in der Hand.
Sabrina schrie auf und rannte los, doch weit kam sie nicht. Er riss sie an ihrer Jacke zurück, drückte sie wieder gegen den Zaun, dessen kaltes Metall sich in ihren Rücken bohrte. Er kam ihr auf einmal viel zu niedrig vor.
„Nie wieder“, zischte er, als sich seine Hände um ihren Hals schlossen. Das Taschenmesser fiel klirrend zu Boden. Sabrina wollte schreien, aber dazu fehlte ihr die Luft. Ihre Füße traten wahllos umher und trafen schließlich etwas Weiches, das den Mann aufkeuchen ließ. Ein scharfer Schmerz schoss ihr durchs Gesicht, als seine Hand ihre Wange traf, und im nächsten Moment spürte sie, wie sie das Gleichgewicht verlor.
„Mach’s gut, Sabrina“, sagte der Mann. Sie sah seine kalten Augen unter der Kapuze hervor blitzen und der tosende Wind ließ sie kaum verstehen, was er sagte. Für einen kurzen Moment explodierte eine Woge aus Schmerz in ihrem Rücken, grelles Licht flammte auf, ein Auto hupte. Ein hässliches Quietschen und Kreischen war alles, was sie hörte - und dann nichts mehr.
***
JAKOB
Hauptkommissar Jakob Spatz sah in freudiger Erwartung auf die Uhr. Noch fünf Minuten bis Dienstschluss, das bedeutete noch eine knappe halbe Stunde, bis es etwas zu essen gab. Vernünftiges Essen und nicht die pappigen Mettbrötchen von der Bäckerei am Maternusplatz, hinter dem sich die Polizeidienststelle befand, in der Jakob arbeitete. Ein Haus aus großen Milchglasfenstern im Nibelungenweg 2a. Noch einmal blätterte er die Unterlagen eines beinahe abgeschlossenen Falls durch, aber er konnte sich nicht wirklich darauf konzentrieren. Es war ohnehin nicht mehr wichtig, es gab genügend Beweise und der Täter war bereits in Gewahrsam. Nichts Aufregendes mehr.
Viel mehr dachte er an seinen altersschwachen Computer, der zu Hause in seinem Schlafzimmer stand. Seit Kurzem fand die Tastatur keine Gelegenheit mehr dazu, einzustauben. Ein breites Lächeln erschien auf Jakobs Lippen, die von Bartstoppeln umgeben waren. Dabei hatte er sich erst heute Morgen frisch rasiert.
Jakob wusste, dass ihn wieder eine E-Mail erwarten würde und wie jeden Abend konnte er den Inhalt kaum erwarten. Seine Finger kribbelten schon jetzt vor Vorfreude. Routiniert nippte er an seiner Tasse, in der sich nur noch ein Schluck kalter, abgestandener Latte Macchiato befand, verzog das Gesicht und räumte seine Sachen zusammen. Feierabend. Er rückte das Bild von sich und seinen Kindern zurecht, stellte sicher,
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