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Wenn dein dunkles Herz mich ruft (German Edition)

Wenn dein dunkles Herz mich ruft (German Edition)

Titel: Wenn dein dunkles Herz mich ruft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary C Brooks
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Rodenkirchen, war es noch dunkel, abgesehen von einem Streifen Licht, der unter der Badezimmertür hindurch schien. Ihr Vater, Jakob, fand es äußerst praktisch, so nah an seinem Arbeitsplatz zu wohnen.
    In Gedanken noch halb in ihrem wirren Traum der vergangenen Nacht schlurfte sie in die Küche, knipste das Licht an und seufzte, als sie die Töpfe auf dem Herd stehen sah – unberührt. Jakob hatte also doch nichts mehr gegessen, falls er die Nacht überhaupt nach Hause gekommen war. Wahrscheinlich ein neuer Fall. Sie kratzte das Essen, das jetzt verdorben war, in den Mülleimer, setzte Kaffee auf und holte die Zeitung aus dem Briefkasten. Während sie eine Scheibe Weißbrot in den Toaster steckte, blätterte sie in der Zeitung herum, aber es war nichts passiert, das ihre Aufmerksamkeit erregte. Oben polterte etwas, wieder schlug eine Tür zu und dann hörte sie das Surren des Föhns. Leonie schüttelte den Kopf. Ihre schwarzen, schulterlangen Haare fielen ihr in die Augen, strähnig und zerzaust. Wie konnte ein Mensch so früh morgens schon so laut sein?, dachte sie kopfschüttelnd, als ihr Bruder weiter fröhlich herumtrampelte, um sich für die Schule fertig zu machen.
    Das Toast sprang heraus – wieder einmal zu hoch – und fiel auf den Fußboden.
    „Ein großartiger Tag“, murmelte Leonie, während sie das Brot mit blassen, schlanken Fingern von den Fliesen fischte. „Fünf-Sekunden-Regel“, murmelte sie und war froh, dass sie es noch nicht bestrichen hatte. Wie sich herausstellte, war das auch gar nicht möglich, denn das Marmeladenglas, das im Kühlschrank stand, war leer. Mit Mühe konnte sie einen Löffel herauskratzen, bevor sie es in den Mülleimer schmiss. Der kleine silberne Ring mit dem pinken Herz stieß klirrend gegen das Glas. Ein Geschenk von ihrer Mutter, kurz bevor sie gesagt hatte, sie wolle sich scheiden lassen.
    „Gehen Männer wirklich immer erst dann einkaufen, wenn es komplett leer ist?“
    Ihr Bruder kam polternd die Treppe heruntergerannt, die Stöpsel seines iPods in den Ohren, die dunkelbraunen Haare strubblig vom Kopf abstehend. Er trug ein schwarzes Shirt mit der Aufschrift Fuck Hell, I’ll go to Valhalla, das ihm eine Nummer zu groß war. Die Jeans schlackerte um seine Beine und hing viel zu tief. Dunkelblaue, nagelneue Nike-Turnschuhe quietschten auf der Treppe, die Schnürsenkel schlenkerten lose um seine Füße.
    „Warst du das schon wieder, Tim? Kannst du dir nicht mal angewöhnen, Neues zu kaufen, wenn’s leer ist?“, fragte Leonie.
    Tim zuckte mit den Achseln. Der Geruch von zu viel Deo erfüllte den Raum. „Frag Dad. Ich ess‘ das Zeug nicht.“ Seine Finger griffen routiniert nach einer Schachtel mit Nougathörnchen und einer Packung Orangensaft.
    „Kannst du dann bitte wenigstens ein Glas benutzen?“
    „Wieso? Du beschwerst dich doch immer, dass du so viel zu spülen hast.“ Er grinste sie an, tippte sich an die Stirn und verschwand pfeifend aus dem Haus. Die Tüte Orangensaft und die Packung mit den restlichen Hörnchen nahm er mit.
    „Hast du wenigstens gelernt?“ rief sie ihm hinterher, obwohl die Tür längst zugefallen war. Kopfschüttelnd schenkte sie sich eine große Tasse Kaffee ein, goss Milch dazu und schüttete den Rest der schwarzen Brühe in eine Thermoskanne für die Uni. Die Mappe mit dem Referat, das sie gleich in Phonology halten musste, lag aufgeschlagen vor ihr, aber wie immer so kurz vor einer Prüfung, ergaben die Worte plötzlich keinen Sinn mehr. Es war auch unnötig, den Text noch einmal durchzulesen, sie konnte ihn ohnehin fast auswendig. Dennoch verknotete sich ihr Magen vor Nervosität, wenn sie an das Seminar dachte. Sie war wahrlich kein Freund von Referaten, jedes Mal, wenn sie vor Menschen reden musste, brach ihre Stimme, sie schwitzte und ihre Beine waren so zittrig, dass sie das Gefühl hatte, gleich zusammenzubrechen. Essays und Klausuren waren ihr eindeutig lieber und bereiteten ihr nicht die geringste Mühe – was man auch an ihren guten Noten in Hausarbeitskursen sah.
    Leonie kippte ihren Kaffee so schnell wie möglich herunter – durch die Milch war er kalt genug – und wusch und kleidete sich so schnell sie konnte. Wahllos kombinierte sie einen grauen Pullover von ihrer Lieblingsmarke Desigual, eine dunkle Jeans, einen bunten, dünnen Schal und ihre Lieblingsstiefel. Ein rascher Blick in den Spiegel zeigte ihr ein blasses Gesicht mit geröteten Wangen, jede Menge Sommersprossen und großen, grünen Augen, die

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