Wenn dein dunkles Herz mich ruft (German Edition)
Masse an, die sie nicht vorbeilassen wollte. „Frankie?“ Ihre Stimme war vor Angst nur ein raues Flüstern, schaffte es kaum, ihren Mund zu verlassen. „Captain?“
Oben polterte etwas, raue Männerstimmen wurden laut, aber über das Rauschen des Windes in den Segeln konnte sie die Worte nicht verstehen. War das Finn? Ethan? Oliver? Das erste, was ihr in dem Augenblick bewusst wurde, war, dass sie sich bewegten. Die Frage war nur: Waren es noch ihre Leute, oder steuerten die Spanier die Holy Devil ? Bei dem Gedanken duckte sie sich hinter die Tür und spähte vorsichtig auf das Deck. Der Anblick, der sich ihr bot, war erschreckend, und sie wusste nicht, ob sie froh sein sollte, dass der Mond so hell schien, oder nicht. Sie sah den zersplitterten Stumpf, dort, wo der Mast gebrochen war. Eine tiefe Kerbe war in den Planken, einige hatte er aufgerissen bei seinem Weg über Deck. Die Reling war zersplittert, dort, wo er ins Meer gestürzt war, er hatte Seile mit sich gerissen und mindestens zwei Fässer mit Regenwasser zertrümmert. Und irgendwo inmitten des Chaos‘ sah sie eine Hand. Einen Fuß. Blutige Striemen, die noch nicht von Wellen fortgespült worden waren, verkohlte Kleidung, die über Deck wehte. Ein Paar tote Augen blickte sie an und als die Devil über eine größere Welle trieb, rollte der Kopf zu ihr herüber. Nur der Kopf. Kimberly würgte und erbrach sich auf das Deck. Über ihr schrie eine Möwe, die nach dem Festmahl gierte. Zitternd trat sie durch die Tür ins Freie. Mondlicht flutete über sie und nun, wo sie ein Teil der Geisterszenerie wurde, wirkte alles noch viel düsterer. Ihr Blick war auf die bleiche Hand gerichtet und den Blutfaden, der daran herablief. Die Pfützen, durch die sie lief, waren fast schwarz und sie fragte sich, ob sie durch Wasser lief … oder durch Blut.
„Kim!“ Frankies Stimme hielt sie zurück, bevor sie erkennen konnte, zu wem die leblose Hand gehörte. Seine platschenden Schritte näherten sich schnell, aber hinkend. „Geht es dir gut?“ Er schloss seine kräftigen Arme um sie und drückte sie an sich.
Kimberly nickte langsam. „Wie viele?“
Frankies Augen folgten ihrem Blick, blieben ebenfalls bei der blutigen Hand haften. „Viele. Der Quartiermeister. Einige Matrosen. Und er…“
„Wer?“
„Ethan.“
Kimberly schluckte. Ethan. Der Späher, der Krähenmann. Ein Freund, ein Mitglied ihrer Piratenfamilie. Und der Kopf eben, das war einer der Matrosen gewesen.
„Verletzte?“, fragte sie, dabei hörte sie das Stöhnen überall um sie herum und hätte sich am liebsten die Hände auf die Ohren gepresst.
„Oliver hat sich das Knie verdreht, als er dem Mast ausgewichen ist, und Captain Barron hat eins auf den Kopf bekommen. Einige werden den Tag nicht überleben. Und das Schiff … Wir müssen sofort nach Tortuga. Noch einen Angriff würden wir nicht überstehen.“
„Wo sind die Spanier? Was ist passiert?“
Frankies Blick wurde härter. „Wir haben sie versenkt. Wenn Oliver nicht einen so guten Treffer gelandet hätte …“ Er zögerte kurz. „Wie geht es Tyler?“
„Er braucht Sam.“ Mehr brauchte sie nicht zu sagen, Frankie wusste, was das bedeutete.
„Ich hol ihn.“
„Warte. Wo … wo ist der Captain? Ich muss mit ihm reden. Wie es jetzt weiter geht. Wie sollen wir so nach Tortuga kommen?“
„Wir müssen uns treiben lassen und hoffen, dass wir da ankommen, wo wir hinwollen. Es ist nicht mehr weit, aber für das Beiboot ist es zu weit. Abgesehen davon, dass es ewig dauern würde, alle damit an Land zu schaffen. Und die Verletzten …“ Er seufzte. „Der Captain ist in seinem Quartier. Pass aber auf, du kannst dir ja denken, welche Laune er hat.“
Kimberly nickte nur und eilte, den Pfützen ausweichend, zur Kajüte von Captain Barron. Sie ließ den Wind durch ihre Lungen und ihre Gedanken wehen, genoss es, wie er sie forttrug und all die Verwirrung für einen Moment vertrieb. Sie atmete noch einmal tief die salzige Luft ein, die ihr so vertraut war.
Die Tür zum Kapitänsquartier war nur angelehnt und schwang im Wind leicht hin und her. Ihr Quietschen klang wie das Wehklagen über die Verluste der Nacht. Drinnen sah sie den Schein einer flackernden Kerze, es konnte nicht lange dauern, bis sie durch eine Brise erlosch. Das Rascheln von Papier war zu hören, unruhige Schritte hallten auf dem hölzernen Boden wider.
Kimberly klopfte nicht an, bevor sie den Raum betrat. Captain Barron stand mit dem Rücken zu ihr und bemerkte
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