Wenn der Eukalyptus blüh dorothea1t
beschränkt sich auf sporadische Überfälle.
Die Stämme am Great Murray River machen eher durch gelegentliche Diebstähle als durch ernsthafte Bedrohung der Siedler in ihrem Gebiet auf sich aufmerksam. Außer einem Walfänger, der, wie mehrfach berichtet wurde, sein Schicksal selbst herausgefordert hat, und den Schiffbrüchigen der Maria sind keine weiteren Todesfälle zu beklagen.
Unserer Ansicht nach war das Letztere ein tragisches Missverständnis, für das die Regierung unter dem damaligen Gouverneur Gawler rechtswidrig das Kriegsrecht angewandt und vermutlich Unschuldige hingerichtet hat. Es besteht also nicht der geringste Grund, vor den hiesigen Eingeborenen Furcht zu empfinden, und noch weniger, ihnen voller Misstrauen entgegenzutreten.
Der Schreiber dieser Zeilen möchte auf das Missverhältnis hinweisen, wonach bis zum heutigen Tag in Südaustralien kein einziger Europäer wegen eines Verbrechens gegen Leib und Leben eines Eingeborenen hingerichtet wurde, wohingegen das Hohe Gericht rasch bereit ist, über einen des gleichen Verbrechens gegenüber einem Weißen beschuldigten Schwarzen das Todesurteil zu verhängen. Dies ungeachtet der Tatsache, dass die Eingeborenen den Status britischer Staatsbürger haben. Das kann angesichts der wachsenden feindseligen Stimmung unter den Siedlern nicht oft genug betont werden.
Chefredakteur Stevenson führte auch kurz vor dem Untergang noch eine spitze Feder, dachte sie anerkennend. Ihre Mutter hatte ihr erzählt, dass der Register praktisch bankrott war. » Als Schneiderin erfährt man mehr, als man wissen möchte«, hatte sie ironisch bemerkt, während sie zusammen in der Nähstube saßen und die zahllosen Unterröcke für Miss Mary Kilners Hochzeitsrobe säumten.
Anfang Januar sollten die beiden endlich ein Paar werden. » Ich freue mich so für sie. Stell dir vor: Mr. Moorhouse hat sich extra die Mühe gemacht, hier bei mir vorzusprechen, nur um mich von Jane zu grüßen!«
» Wie geht es ihr?« Des Öfteren hatte Dorothea schon bedauert, dass ihre Freundin so weit nach Norden gezogen war. Sie zweifelte nicht daran, dass das Land, das ihr zugesprochen worden war und das sie nun mit ihrem Tim bewirtschaftete, vom Protector äußerst sorgfältig ausgewählt worden war. Aber hatte es so weit weg sein müssen?
» Mit ihrer Gesundheit steht es nicht zum Besten«, sagte ihre Mutter betrübt. » Sie hat vor ein paar Monaten einem kleinen Mädchen das Leben geschenkt und ist immer noch sehr schwach. Mr. Moorhouse hat durchblicken lassen, dass er wenig Hoffnung hat, dass sie sich wieder völlig erholt. Für harte Feldarbeit ist sie nicht geschaffen. Und dieser Ehemann von ihr scheint ein rechter Taugenichts zu sein.«
» Ob man sie wohl überreden könnte, ihn zu verlassen?«, überlegte Dorothea spontan. Robert hätte vermutlich nichts dagegen, sie aufzunehmen, wenn sie ihn darum bäte. Der Gedanke an die lustige, lebenssprühende Jane machte ihr bewusst, wie sehr ihr eine gleichaltrige Freundin fehlte.
» Ich glaube, Mr. Moorhouse hat das schon getan«, sagte ihre Mutter, ohne den Kopf zu heben. » Aber Jane nimmt ihr Eheversprechen sehr ernst. Bewundernswert, wenn man bedenkt, wie sie aufgewachsen ist.– Nicht so große Stiche, Kind, sonst reißen die Rüschen gleich ab.«
Heute nun würde Ian also zum Abendessen kommen. Dorothea ließ die Zeitung sinken und fixierte verträumt das Spalier an der gegenüberliegenden Wand. Auch er hatte seine Vergangenheit anscheinend abgestreift wie einen alten Mantel. Sie vergegenwärtigte sich seine Erscheinung auf dem Schiff: ein ungelenker, schweigsamer Junge in abgetragenen Sachen. Schweigsam schien er immer noch zu sein, aber seine Kleidung war beste Qualität. Das hatte sie auf den ersten Blick erkannt. Und ungelenk war er auch nicht. Wie lässig er die schwere Kiste geschultert hatte! Er musste überaus kräftig sein. Vermutlich wurde man das bei einem Leben wie dem, das er geführt hatte.
Ob es eine Frau in seinem Leben gab? Dieser Gedanke versetzte ihr einen leichten Stich. Wie albern! Ärgerlich auf sich selbst faltete sie die Zeitung zusammen und ging in die Küche, um ihrer Mutter bei den Vorbereitungen zu helfen.
Als Ian Rathbone pünktlich um sieben Uhr den Klingelzug an der Haustür betätigte, trug er einen schwarz schimmernden Zylinder, einen Anzug aus feinstem Merinowollstoff und ein sorgfältig gebundenes Halstuch aus schneeweißem Batist. Unter den Gamaschen blitzten blank polierte Abendschuhe, und in
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