Wenn der Eukalyptus blüh dorothea1t
Wurfmesser«, warf August ein, lehnte sich zurück und musterte ihn nachdenklich. » Ian hat auf zwölf Yards das As einer Spielkarte getroffen!« Er grinste spitzbübisch. » Das hat Doro nie geschafft.«
» Inzwischen schafft sie es.« Heathers Feststellung sorgte für verblüfftes Schweigen in der Runde.
» Du hast mir nachspioniert!« Dorotheas Ausruf war halb Frage, halb Anklage. Heather nickte ungerührt. » Sam auch. Wir wollten sehen, was du hinter den Ställen zu schaffen hast. Sam meinte, es sei zwar nicht das Richtige für eine Lady, aber wir sollten es für uns behalten.«
» Sam auch? Das wird ja immer schöner!« Dorothea war peinlich berührt, dass der Stallknecht ihre anfänglich keineswegs bühnenreifen Übungsstunden verfolgt hatte. Wahrscheinlich hatte er sich im Stillen köstlich amüsiert.
» Du hast wirklich noch mein altes Messer? Ich hätte nicht gedacht, dass du es so lange aufheben würdest.« Ian klang überrascht. » Und noch weniger, dass du in Übung bleiben würdest.«
» Sonst hätte es ja wohl wenig Sinn«, gab Dorothea eine Spur patzig zurück. » Schließlich hast du mir doch eindringlich geraten, mein Handgelenk geschmeidig zu halten.«
» Ja, aber ich hätte nicht erwartet, dass du meinen Rat auch befolgst«, sagte er und schmunzelte. » Ich dachte, du würdest es zu deinen Taschentüchern legen, und irgendwann würde es als Brieföffner enden.«
Dorothea musste lachen. » Ich habe es tatsächlich zu meinen Taschentüchern gelegt. Aber als Brieföffner habe ich es nie benutzt.« Sie sah ihn an. » War es eigentlich schwierig für dich, dir ein neues zu beschaffen? Dort, wo du damals hingingst?«
» Es dauerte nur ein bisschen«, sagte Ian ausweichend.
» Komm schon, heraus mit der Sprache: Wie ist es dir dort im Norden ergangen bei diesem deinem Viehzüchter?« August stützte die Ellenbogen auf den Tisch und beugte sich vor. » So, wie du aussiehst, würde ich sagen: Du hast dein Glück gemacht. Stimmt’s?«
» Man kann es wohl so sagen«, erwiderte Ian bedächtig.
» Na los, Mann, lass dir nicht alle Würmer einzeln aus der Nase ziehen! Merkst du nicht, wie neugierig wir alle sind?«
Ehrlich erstaunt sah Ian von einem zum anderen. » Ihr interessiert euch wirklich dafür?«
» Natürlich«, bestätigte Dorothea, reichte ihm eine gefüllte Teetasse und nickte ihm zu. » Und sei gewarnt: Wir erwarten einige aufregende Geschichten von dir!«
Ian sah sie unsicher an, ehe er anfangs stockend, dann immer lebhafter von seinem Leben als Viehhirte erzählte. Der Besitz des Viehzüchters lag am Darling River, nahe der Route, auf der die Herden von der Ostküste nach Südaustralien getrieben wurden. Auf dieser abgelegenen Station mitten im Busch ging es ziemlich rau zu. Meist teilten sich zwei Männer die Verantwortung für eine Schafherde: Einer begleitete sie tagsüber zu den Weideplätzen und passte auf, dass sich dort nicht etwa ein hungriger Dingo oder Aborigine an ihnen vergriff; der andere hielt nachts Wache an der Koppel, in welche die Tiere bei Einbruch der Dunkelheit getrieben wurden. Die Schutzhütte für die Hirten diente auch gleichzeitig als Unterstand für Mutterschafe und Lämmer, die zu schwach oder kränklich waren, um frei laufen zu dürfen. » Manchmal war es ziemlich eng«, bemerkte Ian trocken. » Und einmal bin ich davon aufgewacht, dass eines der Lämmer verzweifelt an meinen Zehen saugte. Aber wenigstens fror man auf die Art nicht.«
Die harte, einsame Arbeit wurde bloß unterbrochen von den Wochen der Schafschur und wenn der Monatslohn ausgezahlt wurde. Die meisten Männer gaben ihn sofort für Tabak und Branntwein aus. Beides verkaufte ihnen der Viehzüchter gerne aus seinen Vorräten. Auf diese Art floss der größte Teil der Lohngelder sofort wieder in seine Taschen zurück.
Ian selbst rauchte und trank nicht, sondern sparte eisern für seine Freiheit. Allerdings scheiterte seine ursprüngliche Idee, sich vom Kontrakt freizukaufen und nach Adelaide zurückzukehren, am Widerstand seines Arbeitgebers, der sich weigerte, einen seiner zuverlässigsten Männer gehen zu lassen. Von Ians Geld hätte er weniger als von seiner Arbeit, erklärte er dem Jungen unverblümt. Also müsse er die vollen fünf Jahre ableisten.
» Ich überlegte schon ernsthaft, einfach zu verschwinden«, gestand Ian mit schiefem Lächeln. » Nur der Gedanke, dass ich dann vermutlich steckbrieflich gesucht werden würde und niemals einen Fuß in die Stadt setzen könnte, hielt
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