Wenn der Eukalyptus blüh dorothea1t
Beobachter jeglicher Enthusiasmus fehlte. » Aber ich bin sicher, Mrs. Masters wird es ein Vergnügen sein.«
» O ja, Sie müssen unbedingt kommen.« Mary Kilner griff beschwörend nach Dorotheas Hand. » Matthew muss übermorgen bereits wieder nach Port Lincoln aufbrechen und würde es sehr bedauern, Sie nicht getroffen zu haben.« Sie lächelte und entschuldigte sich. » Meine Mutter winkt mir. Ein andermal habe ich hoffentlich mehr Zeit zum Plaudern. Sind Sie öfter in der Leihbücherei?« Sie klopfte auf den Beutel an ihrem Arm. » Ich habe mir gerade Oliver Twist von Charles Dickens geholt. Es soll sich dabei ja um eine wahre Geschichte handeln!« Mary schüttelte den Kopf. » Man kann es sich kaum vorstellen, dass es in London solche schrecklichen Menschen gibt. Stellen Sie sich vor: elternlose Waisen zu Dieben abzurichten! Welche Verkommenheit!«
Immer noch entrüstet verabschiedete sie sich und bahnte sich den Weg zu einer in schwarzen Taft gekleideten Matrone, mit der sie verschwand.
» Sie würde sich wundern, wie es in den Gassen von Whitechapel zugeht«, bemerkte Ian leise. » Das ist also die Person, die euch verkuppelt hat. Ich könnte ihr den Hals umdrehen!«
» Sie hat nur versucht zu helfen«, verteidigte Dorothea sie. » Außerdem ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, das zu diskutieren.« Sie warf einen sprechenden Blick auf die beiden Mädchen, die sich anscheinend entschieden hatten.
Nicht nur Ian hatte anderweitige Verpflichtungen vorgeschoben. Auch August hob abwehrend die Hände, als sie ihm vorschlug, sie zu dem Vortrag zu begleiten. Und ihre Mutter erklärte, zu müde zu sein, um noch in Gesellschaft zu gehen. Dorothea jedoch war fest entschlossen, dem Protector endlich die verbrannte Bibel zu zeigen, die sie am Heiligtum in der Asche gefunden hatten. Bisher hatte es sich einfach nicht ergeben, aber dies schien ihr eine günstige Gelegenheit. Koar war das Ritual dahinter völlig unbekannt gewesen. Er hatte allerdings gemeint, dass es mit Sicherheit nichts Gutes zu bedeuten hätte. Jedem Aborigine sei bewusst, dass die Bibel als heiliges Buch galt. Sie zu zerstören deute auf großen Hass gegen die Europäer.
Glücklicherweise war es in Adelaide kein Problem, als Frau allein unterwegs zu sein. Also wickelte Dorothea die immer noch brenzlig riechenden Reste in ein altes Leinentuch, setzte einen zu der dunkelblauen Samtpelerine passenden Hut auf und verabschiedete sich mit den Worten: » Wartet nicht auf mich mit dem Zubettgehen, es kann spät werden, wenn Mr. Moorhouse sein Steckenpferd reitet.«
An der Kreuzung zur Morphett Street wäre sie fast mit einem hochgewachsenen, mageren Gentleman zusammengestoßen. » Mr. Stevenson!« Überrascht sah sie zu ihrem ehemaligen Chef auf. » Was machen Sie denn hier?«
» Dasselbe könnte ich Sie fragen, Mrs. Masters. Ich wähnte Sie glücklich verheiratet an den lieblichen Ufern des Murray River. Der Ehe schon überdrüssig?« Sein Spott war noch beißender geworden, die Falten um die Mundwinkel tiefer.
Automatisch registrierte Dorothea, dass die Armsäume seines Gehrocks abgestoßen, der Zylinder ungebürstet war. Es war nicht zu übersehen, dass er wenig Sorge auf sein Äußeres verwandte. » Nein, ich bin nur bei meiner Mutter zu Besuch. Wie geht es im Register?«, fragte sie und war überrascht von der Heftigkeit seiner Antwort.
» Ein einziger Misthaufen ist das hier!«, polterte er in altgewohnter Offenheit. » Wäre ich nicht Stadtrat, hätte Grey mich vermutlich schon längst aus der Stadt vertrieben. Aber ich denke nicht daran, klein beizugeben! Selbst wenn sie mir den Register wegnehmen– ich finde ein anderes Sprachrohr, um die Missstände der Verwaltung anzuprangern!«
» Sie gehen doch sicher auch zu dem Vortrag der Literarischen Gesellschaft? Dann sollten wir nicht länger trödeln«, sagte Dorothea und beobachtete leicht nervös, wie in der Nachbarschaft Vorhänge zurückgezogen wurden, um der Ursache des lauten Wortwechsels auf den Grund zu gehen. » Kommen Sie, Mr. Stevenson.«
Die Räumlichkeiten der Gesellschaft waren bereits hell erleuchtet, obwohl die Sonne noch gar nicht untergegangen war. Kaum hatten Dorothea und ihr Begleiter das Foyer betreten, als auch schon Mary Kilner auf sie zueilte, um sie zu begrüßen. » Es sind so viele Gäste da, dass wir kaum genügend Stühle haben«, verriet sie strahlend vor Stolz über den öffentlichen Zuspruch. » Darf ich Sie zu den reservierten Plätzen führen?«
Auf dem Weg
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