Wenn der Eukalyptus blüh dorothea1t
sah Dorothea in ihr Gesicht, wie andere es sahen. Karl hatte sie gut getroffen. Aber schaute sie wirklich so finster drein? Sträubten sich ihre Augenbrauen tatsächlich dermaßen?
» Es ist ein bisschen überzeichnet«, sagte Karl ruhig. » Eine solche Skizze nennt man eine Karikatur.– August hat es nicht so gemeint. Sicher tut es ihm schon leid.«
Wider Willen musste Dorothea lachen. » Du wärst ein guter Anwalt, Karl. Schon gut, ich bin nicht mehr wütend. Es war mein Fehler. Ich weiß ja, dass August es nicht leiden kann, zu etwas gedrängt zu werden. Aber manchmal gehen einfach die Pferde mit mir durch.«
Karl schwieg. Er redete nicht gerne mehr als nötig. Auf einmal verspürte Dorothea das Bedürfnis, ihrem stillen Bruder mehr über sich zu entlocken.
» Die Zeichnung erinnert mich an die, die du auf dem Schiff gemacht hast. Aber du hast große Fortschritte gemacht seitdem«, sagte sie freundlich. » Hast du Vater schon gefragt, ob du hier weiter Unterricht nehmen kannst?«
Karl schüttelte den Kopf. » Das wird nicht nötig sein. Mr. Kingston war so freundlich, mir seine Unterstützung und Hilfe anzubieten, als er meine Zeichnungen im Schulzimmer gesehen hat.«
Pastor Teichelmann hatte Karl das Privileg vermittelt, zusammen mit den Söhnen des Gouverneurs und einiger Honoratioren unterrichtet zu werden. Eines der zwölf Zimmer der Residenz war extra zu diesem Zweck hergerichtet worden. Bisher hatte Karl so gut wie gar nichts darüber erzählt. Keiner hatte ihn gefragt, und er war nicht von der Art, die von sich aus alles heraussprudelt. » Sag mal, wie ist es eigentlich so bei diesen Gawlers?«, erkundigte Dorothea sich. » Wie sind deine Mitschüler? Nett?«
Karl hob gleichmütig die Achseln und ließ sie wieder sinken. » Engländer eben. Wenn man ihnen nicht widerspricht und zu allem Ja und Amen sagt, sind sie ganz in Ordnung. Den Gouverneur habe ich noch nicht kennengelernt. Mrs. Gawler scheint überaus fromm zu sein. Ständig ist sie mit wohltätigen Werken beschäftigt.« Er lächelte schief. » Sie spricht mit mir wie mit einem Halbgescheiten. Vermutlich denkt sie, ich sei unfähig, mich in ihrer Sprache zivilisiert zu unterhalten.«
An diesen Ausspruch ihres Bruders wurde Dorothea erinnert, als sie Mrs. Gawler gegenüberstand. Trotz der frühsommerlichen Temperaturen trug sie ein langärmliges, schwarzes Kleid aus Merinowolle mit schlichtem, weißem Kragen. Die Wirkung kam einem Pastorenhabit so nah, dass Dorothea sich fragte, ob sie ihre Garderobe absichtlich so ausgewählt hatte. Auch der Gouverneur trug Schwarz. In Verbindung mit seiner ungesund bleichen Gesichtsfarbe und den verhärmten Gesichtszügen erschien er ihr eher bemitleidenswert als Ehrfurcht einflößend. Das war der Gouverneur? Der mächtigste Mann Südaustraliens?
Aber seine Stimme, als er sie alle begrüßte, war fest, und seine dunklen Augen schienen nachgerade zu erahnen, was sie dachte. Verlegen senkte sie den Blick und knickste besonders tief. Während er sich bereits den nächsten Gästen zuwandte, nahm Mrs. Gawler sie unter ihre Fittiche. » Wie schön, dass unser lieber Pastor Schumann endlich seine Familie wieder um sich hat. Die Damen vom Kirchenkomitee freuen sich schon so darauf, Sie kennenzulernen, Mrs. Schumann. Ich werde Sie gleich zu Ihnen geleiten«, sagte sie betont langsam und deutlich akzentuiert. Dorothea wechselte einen kurzen Blick mit Karl und biss sich auf die Unterlippe. Er hatte ihren Tonfall gut beschrieben. » Für die jungen Leute haben wir auf der hinteren Veranda gedeckt. Von dort aus hat man einen guten Überblick über das palti, das unsere Schützlinge heute veranstalten. Mr. Moorhouse, wären Sie so freundlich, sie dorthin zu führen und bekannt zu machen?«
Ein großer, schlanker Mann mit auffallend gut geschnittenen Gesichtszügen verbeugte sich höflich. » Zu Ihren Diensten, Madam.« Dorothea musterte ihn neugierig. Von ihm hatte sie schon einiges gehört. Matthew Moorhouse war seit über einem Jahr der offiziell bestellte » Protector of Aborigines« für Südaustralien, ein Amt, das er mit Hingabe ausfüllte. Ihr Vater hatte mit größter Hochachtung von ihm gesprochen. Seine Aufgaben waren vielfältig: Er hatte dafür Sorge zu tragen, dass die Landstücke, die von Gesetz wegen den Eingeborenen zustanden, nicht von Siedlern okkupiert und Übereinkommen eingehalten wurden.
Er musste Streitigkeiten schlichten, die stetig zunehmenden Schafsdiebstähle aufklären, Verstöße gegen
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