Wenn der Hunger erwacht (German Edition)
verhindern.“ Sie lächelte ihn traurig an. „Und deshalb ist es mir so wichtig, Ian. Nach all diesen Jahren bist du meine Chance, endlich das zu tun, was richtig ist.“
11. KAPITEL
Eine Stunde später standen Molly und Ian bis zur Hüfte in Pappschachteln. Die Sommerhitze war stickig in dem kleinen Lagerraum, der nur etwa dreimal anderthalb Meter maß, nur durch die offene Tür kam ein bisschen Luft herein. Sie gingen systematisch vor, öffneten jede einzelne Schachtel, durchwühlten den Inhalt. Bisher hatten sie alles Mögliche gefunden, Klamotten, Teller, Bücher – aber nichts hatte ihre Aufmerksamkeit erregt. Nichts war ihnen ins Auge gesprungen und hatte geschrien: „Ich bin’s! Ich bin das, was ihr sucht!“
„Wie viel Zeit sollen wir denn noch damit verschwenden, uns durch diesen ganzen Müll zu wühlen“, grunzte Ian und wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Sein T-Shirt war durchgeschwitzt, das Haar nass, die Augen frustriert zusammengekniffen, was die kleinen, sexy Linien um seine Augenwinkel betonte.
„Das ist doch kein Müll. Das ist das Leben eines Menschen“, ließ Molly ihn wissen. Sie hatte die Nase voll von seiner Nullbockeinstellung, denn er hatte schon mit solchen Bemerkungen angefangen, als sie kaum fünf Minuten dabei waren. Das einzig Gute war, dass ihr mit der Hitze sein vitaler, anregender Duft in die Nase stieg, dieser öden Tätigkeit, die sie langsam auch fertig machte, eine sinnliche Dimension verlieh. „Außerdem bist du der starrköpfige Idiot, der seinen Bruder nicht fragen will, was wir hier eigentlich suchen.“
Er schnaufte, wie immer, lehnte sich an die Wand und sah zu, wie sie sich hinkniete, um die nächste Schachtel aufzumachen. Aus dem Augenwinkel konnte sie sehen, wie er ihren Pferdeschwanz anstarrte. „Was ist?“, fragte sie.
„Wenn du das Haar so trägst, siehst du wie ein Kind aus.“ Es hörte sich an, als wäre das ein Verbrechen.
„Mensch, Ian. Tut mir schrecklich leid, dass du das so siehst“, höhnte sie und blies sich eine Locke aus der Stirn. Ihre Knie taten weh, sie schwitzte und war genauso frustriert wie er, aber sie würde nicht aufgeben, bis sie gefunden hatten, was sie suchten.
Was immer es sein mag.
Ihr war klar, wie schwierig es für Elaina sein musste, mit ihr zu kommunizieren. Aber manchmal wünschte Molly schon, einige der Informationen, die diese Frau so sparsam austeilte, wären ein bisschen präziser.
Zum Beispiel hat sie nicht erwähnt, dass er dein Blut trinken wird , jammerte eine verärgerte Stimme in ihrem Kopf sarkastisch. Oder diese Sache mit den geteilten Träumen. Wäre echt nett gewesen, auf diese hübschen Kleinigkeiten ein bisschen vorbereitet zu sein. Schadet ja nie, so was im Voraus zu wissen …
„Ich halte das trotzdem für Zeitverschwendung“, unterbrach Ian plötzlich ihr inneres Schimpfen. „Was immer sie mir hinterlassen hat, ich kann mir nicht vorstellen, wie uns das helfen soll. Ich kenne Elaina schließlich, wahrscheinlich ist es sowieso bloß irgendein abergläubischer Hoodoo-Voodoo-Blödsinn. Irgendein stinkender Mist, zusammengebraut aus Schlangenaugen und Eidechsenzungen.“
Molly steckte den Kopf in die Kiste und versuchte herauszufinden, was unter einer besonders dicken Luftpolsterfolie steckte. „Hör doch wenigstens mal fünf Minuten mit dem Gemecker auf. Ich weiß schon, was ich suche.“
„Ach ja?“ Er klang so sarkastisch, dass sie die Zähne zusammenbiss. „Und was soll das sein?“
Endlich konnte sie die Folie anheben, um darunter nichts anderes zu entdecken als ausgerechnet eine Sammlung von Schneekugeln. Verflucht. Da dies garantiert auch nicht die richtige Schachtel war, richtete sie sich auf. „Wenn ich es gefunden habe“, teilte sie ihm süßlich mit, „werde ich es dir schon verraten.“
„Weib“, murmelte er leise, während sie nach der nächsten Kiste griff. „Wenn du mich brauchst, ich bin draußen und rauche eine.“
Molly winkte ihm freundlich zu, nur um ihn zu reizen, und betrachtete voller Genuss seinen knackigen Hintern. Sie ärgerte sich über dieses süße, heiße Verlangen in ihrer Brust, das mit jeder Sekunde größer wurde, die sie mit ihm verbrachte, egal ob er nun an ihr rummoserte oder mit ihr flirtete – irgendwann würde ihr das nichts als Ärger einbringen. Stöhnend schob sie die schwere Kiste mit den Fotoalben beiseite, um an die kleinere dahinter zu kommen.
Beim ersten Anblick dieser gesteppten Alben war Molly in Versuchung geraten, sie
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