Wenn der Hunger erwacht (German Edition)
fest, sie wollte jetzt keinen Rückzieher mehr machen. „Es stimmt. Ich war in deinen Träumen … ich habe gesehen, was für Sachen dich erregen. Das alles habe ich am eigenen Leib erfahren. Und trotzdem bin ich noch hier, an deiner Seite. Verrät dir das nicht etwas?“
„Das verrät mir, dass du mit deinem eigenen Wohl sehr unbekümmert umgehst“, höhnte er. „Falls dir das nicht klar sein sollte, Stratton, zwischen Träumen und der Wirklichkeit besteht ein gewaltiger Unterschied.“
„Das muss nicht so sein“, meinte sie ganz ruhig, was ihn nur noch wütender zu machen schien. Sie sah, wie einer seiner Kiefermuskeln zuckte, spürte, wie die Wut in Wellen von ihm ausstrahlte, aber sie wollte jetzt nicht aufhören. Wollte endlich seine verdammte Selbstkontrolle durchbrechen, bis er sich endlich gehen ließ und sich dem ergab, was sie doch beide wollten. Es war, als würde sie vor einem lodernden Feuer stehen, dessen Flammen ihr das Gesicht verbrannten, während seine Schönheit sie gleichzeitig fesselte und bezauberte. Sie hatte nie mit Drogen herumexperimentiert – nicht ein einziges Mal in ihrem ganzen Leben –, aber jetzt fragte sie sich, ob sich das vielleicht so anfühlte … dieses unstillbare Verlangen, so ein hypnotisches Brennen auf der Haut zu spüren und gleichzeitig zu wissen, dass es sie am Ende zerstören konnte.
„Mensch, kapierst du denn nicht?“, grollte er in so bösartigem Tonfall, dass sie aus ihren Gedanken gerissen wurde und zusammenzuckte. „An dem, was ich von dir will, Molly, ist überhaupt nichts Nettes. Das einzig Schlaue, was du tun kannst, ist, dich von mir fernzuhalten.“
„Das ist doch kompletter Blödsinn“, schoss sie zurück. Bei dem emotionalen Widerstreit in jeder ihrer Zellen wurde ihr beinahe schwindlig, Frustration kämpfte gegen Verlangen, und die eisige Furcht, niemals zu ihm durchdringen zu können, machte alles nur noch schlimmer. „Du machst mir keine Angst, Ian. Angst macht mir nur das Wissen, dass du mich verlassen wirst, wenn das alles hier vorbei ist, ganz egal, was bis dahin zwischen uns passiert sein mag. Und du wirst mich verlassen, nicht wahr? Selbst wenn du gern bleiben würdest, wirst du dich doch von mir abwenden, so wie du dich von jedem Menschen abgewendet hast, dem du in deinem Leben jemals etwas bedeutet hast.“
„Ja, Abhauen ist mein Spezialgebiet“, erwiderte er scharf und mit hässlichem Tonfall, dann machte er einen Schritt auf sie zu, die Hitze, die er ausstrahlte, umfing sie. „Aber darüber hat dir Elaina doch bestimmt alles erzählt. Riley, das ist in unserer Familie der aufrechte Typ. Der macht immer das Richtige, geht immer den geraden Weg, wie ein verdammter Heiliger. Aber ich, ich bin bloß der selbstsüchtige Versager, der genau wie Daddy die Flucht ergreift. Von mir solltest du nie erwarten, das Richtige zu tun, bei dir zu bleiben und dich zu retten, denn am Ende wirst du enttäuscht sein, Molly. Zum Teufel, vielleicht wirst du am Ende sogar tot sein.“
Molly bekämpfte den spontanen Impuls, ihm ins Gesicht zu schreien. Sie hatte es so satt, sich dauernd anhören zu müssen, wie er sich selbst runtermachte, wo sie doch genau wusste, dass er viel mehr war als der selbstsüchtige Wichser, als den er sich hinstellte. Nicht perfekt, das natürlich nicht. Aber Perfektion hatte sie sowieso immer misstrauisch gemacht. Perfektion war niemals echt. Auch nicht ehrlich. Perfektion war eine Illusion, die sich mir nichts, dir nichts gegen einen wenden konnte, wie ein stiller, unberührter Strand, kurz bevor der Hurrikan losbricht.
Ian Buchanan war zornig und rau und innerlich zutiefst verletzt, aber er war auch tapfer und stark und ehrlich. Er hatte die Kraft besessen, sich selbst aus einem höllischen Abgrund zu ziehen und etwas aus sich zu machen. Er hatte freigiebig die Behandlung seiner todkranken Mutter finanziert, die er eigentlich unbedingt vergessen wollte, und sie sollte nicht einmal davon wissen. Und nun war er entschlossen, Molly nicht von der Seite zu weichen und sie zu beschützen, obwohl er sich vor der Anziehungskraft zwischen ihnen fürchtete … vor dem finsteren Wesen fürchtete, das in ihm war.
Nein, perfekt war er nicht. Aber in ihr glomm die seltsame, schockierende Empfindung, er könnte … dicker Konjunktiv … der Richtige für sie sein.
Mit zitternder Stimme brachte sie schließlich heraus: „Du glaubst vielleicht nicht an dich, aber ich schon.“
Er wandte sich von ihr ab, die Hände in den Taschen
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