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Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Titel: Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malte Pieper
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verschiedene Arten feststellen können, und Oma müsse das jetzt schon ein wenig präzisieren, bitte schön, sonst könne man keine Entscheidung treffen. Am Ende liefe die Oma genervt aus der Bäckerei, weil sie noch nicht mal weiß, wie man bei Schreibprogrammen am Computer diesen nervigen Word-Büroassistenten – meist eine Büroklammer – entfernen kann. (Okay, das weiß ich auch nicht, aber ich war ja auch nicht auf einer Privatschule.) Wir halten also fest: Zu viel Wissen schadet dem Bäckereigewerbe.
    Gegen Privatschulen ist ja eigentlich nichts einzuwenden. Es sei denn, diese Schulen vergessen, ihren Schützlingen neben den fachlichen Qualifikationen auch andere wichtige Dinge beizubringen. Zum Beispiel Sozialkompetenz. Ich habe mal bei einer Aktion namens «Model United Nations» mitgemacht. Bei dieser Konferenz treffen sich Jugendliche aus aller Herren Länder und debattieren über die aktuellen Probleme der Welt. Man spielt also eine Woche lang Politiker. Das ist eine interessante und lustige Sache und eine tolle Gelegenheit, mit Jugendlichen vom gesamten Erdball in Kontakt zu treten. Das einzige Problem dabei: die anderen Deutschen. Unsere Schule war nämlich so ziemlich die einzige staatliche Schule, die an dem Projekt teilnahm. Alle anderen deutschen Schüler kamen von internationalen Internaten oder elitären Privatschulen. Und das ließen sie uns auch spüren: «Wie? Ihr geht auf eine öffentliche, staatliche Schule?! Oh Gott, dann habt ihr doch bestimmt noch nicht mal Computer. Und eure Lehrer sind ja nur ganz normale Beamte. Also bei uns unterrichten nur die besten Professoren. Mein Erdkundelehrer zum Beispiel hat in Oxford gelehrt, und mein Englischlehrer ist ein renommierter australischer Sprachforscher. Ach ja, die Schulhofsprache bei uns ist natürlich Englisch oder Französisch, wobei sich auch Mandarin immer mehr durchsetzt.»
    Ich habe mich einigermaßen gewundert, dass sich diese Wohlfühl-Elite-Kinderchen nicht die Hände desinfiziert haben, nachdem sie mit uns staatlichen Schülern gesprochen hatten.
    Wenn diese Leute unsere zukünftigen Politiker und Wirtschaftsbosse werden, braucht man sich jedenfalls nicht zu wundern, dass Volksnähe und Gemeinschaftssinn nicht die ersten Ziele dieser Guttenberg-glatten Machtpositionsanwärter sind.
    Leider gab es auf der Konferenz keine speziellen Räumlichkeiten, in denen ich mich angesichts so viel Angeberei mal kurz übergeben konnte.
     
    Ich verstehe ja, dass bei unserem Schulsystem Alternativen gesucht werden. Aber ich denke, das muss auf allgemeiner und staatlicher Ebene laufen. Es bringt nichts, wenn sich Hunderte kleine Parallelgesellschaften bilden, die alle ihr eigenes Bildungssystem haben.
    Manche Eltern beschließen allerdings sogar, ihre Kinder selbst zu Hause zu unterrichten – im sogenannten Home-Schooling. Nicht nur, dass es in Deutschland eine Schulpflicht gibt – meiner Meinung nach unterliegen diese Eltern außerdem einer recht fragwürdigen Selbsteinschätzung. Welcher Erwachsene kann denn von sich behaupten, den gesamten Schulstoff von Klasse 1 bis 12 oder 13 zu beherrschen und diesen seinen Kindern problemlos mit allem pädagogischen Geschick beibringen kann?!
    Wenn ich mir vorstelle, dass meine Eltern meine Lehrer gewesen wären. dann scheint mir die Schule im Rückblick doch die angenehmere Alternative gewesen zu sein. Man will seine Lehrer doch auch anständig hassen dürfen und das ist bei Eltern zumindest auf Dauer nicht so richtig durchführbar. Außerdem würde ich meine Schulfreunde nicht missen wollen. Was bringt es, wenn Kinder durch den tollen Unterricht ihrer hyperintelligenten Eltern eine ganz wunderbare Bildung haben, aber alle Personen, die ihnen etwas erklären, mit «Mama» oder «Papa» ansprechen?
    Manchmal habe ich das Gefühl, der Staat belässt das Bildungssystem absichtlich in seinem schlechten Zustand. Denn wer dumm bleibt, kann nicht rechnen, und wer nicht rechnen kann, gibt zu viel Geld aus und verschuldet sich. Davon profitieren die Banken. Dann kommt Peter Zwegat und löst die Schuldenprobleme. RTL filmt das Ganze, Millionen Menschen schauen dabei zu, sehen in den Werbepausen ganz viele Produkte, die sie unbedingt kaufen müssen, und weil sie immer noch nicht rechnen können, verschulden sie sich erneut, und dann muss wieder der Zwegat kommen und so weiter. Unsere Dummheit ist also wirtschaftlich von Vorteil. Das fördert die Binnennachfrage. Und wer fordert immer, Deutschland müsse seine

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