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Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Titel: Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malte Pieper
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schlechtere Note.
    Da konnte man nur hoffen, dass man einen Lehrer hatte, dem die gleichen Dinge auffielen wie einem selbst, oder dass man mit der Zeit lernte, was der Lehrer in einer Klausur hören wollte. In dem Fall hat das gar nichts mit Einschleimen zu tun, wenn man dem Lehrer nach dem Mund schreibt. Es ist einfach nur Taktik. Und die weitere Ausbreitung von standardisierten Vorgaben und Erwartungstabellen lässt diese Taktik leider wichtiger werden als Kreativität und kritische Gedanken. So geht es trotz eines bekannten Liedes hinterm (Erwartungs-)Horizont eben doch nicht weiter. Denn dafür gibt es keine Leistungspunkte.
    Aller Anfang ist schwer
    Referendare – ein gefundenes Fressen für jeden Schüler. Ein nur wenige Jahre älterer und lediglich ein Lehramtsstudium entfernter Junglehrer, der völlig verunsichert und planlos vor der Klasse steht, muss ja geradezu zum Opfer von Störungen, Lustlosigkeit und Abwesenheit seitens der Schüler werden. Aber da immer noch der so sehr gefürchtete Lehrermangel herrscht, werden diese Frischabsolventen völlig unvorbereitet in den harten Schulalltag geworfen. Das nennt sich dann EVU  – also Eigenverantwortlicher Unterricht. Man könnte einen Pandabären auf die A 1 stellen, er wäre wahrscheinlich weniger hilflos als so mancher Referendar.
    Paradebeispiel dafür und Gewinner der Auszeichnung «Angeschossener Pinguin», die für das ungeschickteste und hilfloseste Verhalten eines Lehrers jährlich vergeben wird, war bei uns Herr Weitzel. Er durchlief innerhalb kürzester Zeit die typischen Phasen einer Lehrkraft am Anfang ihres Berufsweges. Es begann mit Phase  1 . Der Referendar, also Herr Weitzel, hatte noch keine Ahnung von der Schule – zumindest nicht davon, was es hieß, auf der anderen Seite des Lehrerpults zu stehen. Komischerweise schien er sich an seine eigene Schulzeit, die noch gar nicht so lange her sein konnte, nicht mehr richtig zu erinnern. Vielleicht eine Art Verdrängungsprozess, ohne den er es niemals fertiggebracht hätte, Lehrer zu werden. Die Erinnerung an die eigene Schule und die damit verbundenen Qualen legt jeder Lehramtsstudent wohl (vielleicht in einem eigens dafür entwickelten Seminar?) während des Studiums ab und sieht die Schule plötzlich als den Ort seiner zukünftigen Selbstverwirklichung an. So auch Herr Weitzel. Er hatte sein Studium mit einer einigermaßen guten Note bestanden und schwankte zwischen Selbstvertrauen und Verunsicherung. Wahrscheinlich nahm er sich am Abend vor seinem ersten Schultag als Lehrer vor, ein besonders guter und konsequenter Lehrer zu sein. Mit diesem Vorsatz startet aber wohl jeder Lehrer in seine Berufslaufbahn. Daran ist ja auch nichts auszusetzen, allerdings trägt dieser Vorsatz einen fast unüberwindbares Dilemma in sich: Er ist nur sehr schwer umsetzbar. Sollte man eher der Kumpeltyp sein, der mit seinen Schülern auf Augenhöhe steht? Oder ist die Rolle als strenger Pauker die bessere? Dieser innere Konflikt war es vermutlich, der Herr Weitzel am ersten Unterrichtstag mit Baseball-Kappe, Sonnenbrille (obwohl es regnete), einem locker sitzenden, gelben T-Shirt mit dem vielsagendem Aufdruck «Mr. Cool» und einer hellbraunen Cordhose erscheinen ließ. Außerdem hatte er sich eine lederne Aktentasche zugelegt, und die Art, wie er sie trug, zeigte, wie sehr er sich immer schon gewünscht hatte, eine solche Tasche als Lehrer zu besitzen.
    So, wie er den Klassenraum betrat, so unterrichtete Herr Weitzel auch: wirr und unverständlich – wenn auch ohne Sonnenbrille. Er stolperte von einem Versprecher zum nächsten und dann auch noch über seine Aktentasche. Zwischendurch warf er immer wieder verzweifelte Blicke auf seinen Unterrichtsplan, den er sorgfältig auf dem Lehrerpult ausgebreitet hatte. Doch seine geplante Struktur war mit seiner Sonnenbrille anscheinend in seiner Tasche verschwunden. Wie eine Ente, der man ein Stück Brot zuwirft, hetzte er von Unterrichtsminute zu Unterrichtsminute und war schon nach wenigen Augenblicken schweißgebadet. «Mr. Cool» war nun alles andere als das und sehnte ziemlich offensichtlich das Ende der Stunde herbei.
    Die erste Phase der Lehrerentwicklung dauert bei jedem Lehrer genau diese eine erste Stunde.
    In den darauf folgenden Stunden, die die zweite Phase charakterisieren, merkt der Lehrer dann meist schnell, dass er alles, was er auf der Uni gelernt hat, ohne Gewissensbisse sofort vergessen darf. Herr Weitzel probierte in dieser Zeit alle möglichen

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